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Splitter im Auge - Kriminalroman

Titel: Splitter im Auge - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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noch in der Packung.«
    »Warum hast du dich damals nicht gemeldet, als du erfahren hast, dass Caroline ermordet worden war?«
    »Ich habe am Anfang gar nichts davon gehört, erst, als schon einer eingesperrt war. Ich dachte, das ist jetzt nicht so wichtig.«
    Steiger hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Die SMS hatte Nicki Ahlers natürlich schon gelöscht, aber Steiger notierte sich die Nummern der beiden Handys.
    Dann hatte er keine Fragen mehr.

16
    Steiger fuhr die Deggingstraße in östlicher Richtung und dachte an Carola. Das Bild seiner älteren Schwester hatte er schon ewig nicht mehr so klar vor Augen gehabt wie heute, als er ihren Namen im Brief seines Alten gelesen hatte. Das war einmal ganz anders gewesen. In der Zeit, nachdem ein Betrunkener sie damals mitten auf einem Zebrastreifen erwischt hatte, war er lange zu kaum einem anderen Gedanken fähig gewesen. Jetzt hatte er Jahre nicht mehr an sie gedacht und damit auch nicht an ihren Tod, denn beides war in ihm wie verschmolzen. Er erinnerte sich an sie immer als einen Körper, der in einem Sarg in einer Leichenhalle lag, ein buntes Kleid trug, die todbringende Kopfverletzung mit viel Schminke übertüncht, und er hatte das Gefühl, dass das nie anders gewesen war. Es gab keine Bilder in ihm, auf denen sie umherlief, auf denen sie sprach oder lachte, und oft hatte er überlegt, ob sein Vater davor ein anderer Mensch gewesen war. Denn auch davon hatte er keine Bilder in sich, von seinem Vater vor diesem Ereignis, das die Familie getroffen hatte wie ein großer Asteroid die Erde. Es hatte endlos lange gedauert, jedenfalls war es ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen, bis die Tage aufgehört hatten, wie schwarze, traurige Träume zu sein, aus denen seine Mutter seltsamerweise als Erste wieder aufgewacht war, was vielleicht daran lag, dass sie schon vorher das Leben als einen Weg der Leiden betrachtet hatte. Irgendwann hatte er damals angefangen zu glauben, an diesem Unglück schuld zu sein, an der Traurigkeit seiner Eltern, an der Abwesenheit seines Vaters, an der Schwere, die auf allem lag. Natürlich war das blödsinnig, aber ein Sechsjähriger begriff das noch nicht.
    Steiger parkte seinen Wagen in einer der Buchten am Straßenrand. An der Haustür kam ihm ein Rentner mit Hund entgegen, der ihm misstrauisch hinterhersah, aber offensichtlich nicht den Mut hatte, etwas zu sagen, als Steiger einfach durch die Tür ins Haus ging. Er nahm die Treppe bis zur dritten Etage, schellte direkt an der Wohnungstür, und als sich nichts tat, drückte er den Knopf noch einmal. Nach einer Weile wurde die Tür geöffnet, und Eva stand vor ihm. Sie trug einen Bademantel, den sie sich vorn mit einer Hand zuhielt, und als sie sah, dass es Steiger war, lächelte sie. Ihre Füße steckten in roten Pumps, und wenn das um diese Zeit der Fall war, wusste Steiger, dass sie einen Kunden hatte.
    »Ich komme ungelegen, oder?«, fragte er.
    Eva nickte wortlos, und in ihren braunen Augen war eine Spur echter Traurigkeit.
    »Ja«, sagte sie, »und es wird auch noch eine Zeit dauern.« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Okay, war nur ein Versuch, ganz spontan.« Er hob die Hand und wandte sich zum Gehen.
    Eva machte einen Schritt auf ihn zu und fasste ihn am Arm. »Am Wochenende ist es besser.« Wieder lächelte sie.
    Er kannte Eva Kamp seit seiner Zeit bei den Sexualdelikten. Sie hatte schon immer auf eigene Rechnung in der eigenen Wohnung gearbeitet. Dass das nicht ungefährlich war, hatte sie damals am eigenen Leib erfahren, als ein Kunde sie übel zugerichtet zurückließ und erst Stunden später ein Arzt gerufen wurde, weil niemand in ihre Wohnung gegangen war, obwohl die Wohnungstür lange weit offen gestanden hatte. Steiger hatte den Fall damals bearbeitet, weil man den Täter in der Szene vermutete, was aber wohl nicht der Fall gewesen war. Der Schläger war nicht ermittelt worden, aber Steiger hatte Eva Kamp von Anfang an gemocht. Ein paar Wochen später war er das erste Mal privat zu ihr gefahren.
    Steiger nickte, versuchte ein Lächeln und sagte: »Okay«, ging die Treppe hinunter und entschloss sich, noch ein Absackerbier zu trinken.
    Im »Totenschädel« war die Hölle los. Der Bootsmann feierte Geburtstag und hatte offensichtlich schon einige Runden unters Volk gebracht, jedenfalls waren alle bester Stimmung. Steiger setzte sich an die Theke und bekam sein Bier hingestellt, ohne bestellt zu haben. Helga sagte: »Vom Bootsmann« und zeigte mit dem Stift über die

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