Splitter im Auge - Kriminalroman
Ruder gelaufen, und sie hatten zum Schluss drei Leute festnehmen müssen. Leider waren zwei von ihnen von oben bis unten verlaust gewesen, und so hatten Batto und zwei andere Kollegen anschließend eine Entlausungskur im Krankenhaus hinter sich bringen müssen.
»Ist das das pralle Leben, das du immer noch suchst im Wachdienst?«, fragte Steiger, als Batto sich ein Bier bestellte. »Ab und zu entlaust zu werden?«
Die Bedienung lächelte Batto an, als sie ihm das Bier hinstellte.
»Läuse gehen doch noch. Vor ein paar Wochen hatten wir einen mit offener TB «, sagte er und nahm einen Schluck. »Haben wir erst hinterher erfahren, als wir uns schon mit ihm auf der Wache gerollt hatten. Das war ’ne Scheißwoche, ist aber noch mal gut gegangen.«
Steiger kannte das von ihm, diese Immer-das-Positive-sehen-Nummer. So war er schon immer gewesen, schon seit sie sich das erste Mal gesehen hatten damals, am ersten Tag, in der Stube, die nach Staub und Holz gerochen hatte und so wohnlich wie ein Bushäuschen bei Windstärke acht gewesen war. »Wenigstens kein Westzimmer«, hatte Batto gesagt und ihm lächelnd die Hand hingehalten, »die sollen im Sommer nämlich so heiß sein, dass man nachts kein Auge zukriegt.« Steiger wusste, dass es Leute gab, die sich eine goldene Nase damit verdienten, in Seminaren einer Horde Verlierern genau das beizubringen, die dann hinterher wie schlechte Schauspieler durch die Welt liefen und alles so positiv sahen, dass es weh tat. Bei Batto war das anders, es war kein Theater.
»Morgen wird dein Vater beerdigt, richtig?«, fragte er.
Steiger nickte. »Eigentlich ist es nur ’ne Trauerfeier, weil er ja noch verbrannt wird.«
»Meine ich ja«, sagte Batto. »Wenn ich es schaffe, komme ich vorbei.«
»Mach dir keinen Stress«, sagte Steiger, aber er wusste, dass er sich freuen würde.
Nach einer Stunde hatten sie ein paar Biere getrunken und sich über Fußball, Frauen und den Tod unterhalten. Beiden fiel auf, dass der Dienst diesmal kein Thema gewesen war.
»Dann lass mich doch noch eine Frage stellen«, sagte Steiger, als sie schon vor der Tür waren. »Mich würd’ einfach mal deine Einschätzung interessieren.«
Er erzählte Batto von Caroline Thamm, von den Unregelmäßigkeiten, den beiden Nachrichten und von Schulzes Reaktion.
»Tja, klingt ein wenig eigenartig«, sagte Batto, »aber bei der Spurenlage wird’s dafür wohl ’ne Erklärung geben, denke ich. Denn die ist doch ziemlich eindeutig, oder?«
Steiger sah ihn an und nickte.
»Und du lässt jetzt auf eigene Rechnung und auch noch illegal orten, von wo die beiden SMS gekommen sind?« Batto schüttelte den Kopf und lächelte. »Warum machst du diesen ganzen Zirkus?«
»Keine Ahnung«, meinte Steiger, »ich kann es dir wirklich nicht genau sagen.«
Er musste an Renate Winkler denken.
20
Steiger betrat die Kapelle und war überrascht. Der Innenraum war kleiner, als es von außen den Anschein hatte. Die Oberlichter in der Decke waren alten Fabrikdächern nachempfunden, zwischen zwei Stuhlgruppen hindurch führte ein Gang zu einem kargen, kleinen Altar, vor dem der Sarg seines Vaters stand. Langsam ging Steiger nach vorn und setzte sich in der ersten Reihe auf den zweiten Stuhl von links.
Seinen Kranz hatten sie in die Mitte gelegt, Steiger las die Schleife, er hatte sich für »In stiller Trauer« entschieden, weil er es schon häufiger auf anderen Beerdigungen gelesen hatte und weil es einigermaßen der Wahrheit entsprach. Der Blumenschmuck sah üppiger aus, als er es erwartet hatte. Er zählte fünf Kränze, konnte aber außer seinem nur die beiden von der Gewerkschaft und der Partei an den Schleifen erkennen und fragte sich, wem der alte Mann sonst noch einen Hunderter wert gewesen war.
Als hinter ihm das erste Mal die Tür ins Schloss fiel, wollte er sich umdrehen, ließ es dann aber und verschob es auf später, weil es blöd ausgesehen hätte, fand er. Es waren keine dreißig Sekunden vergangen, da stand ein alter, kleiner Mann in einem braunen Mantel neben ihm und gab ihm die Hand.
»Thomas«, sagte er, und es klang nicht nach einer Frage. »Ich hab’ dich gleich erkannt. Georg Beumer, ich bin ein alter Genosse vom Artur. Mein Beileid, Thomas.«
Steiger nickte, drückte ihm die magere Hand und versuchte sich an Georg Beumer zu erinnern, vergeblich.
Der Mann ging zum Sarg und legte eine Weile die Hand darauf, kam dann zurück und setzte sich neben Steiger, obwohl es eigentlich die Familienreihe war, und
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