Splitter im Auge - Kriminalroman
Bratwurst und eine Limo gekauft, während er mit Kollegen Bier trank. Einer der Kollegen hatte gefragt, ob das sein Sohn sei, und sein Vater hatte ihn gerufen, ihm die Hand auf die Schulter gelegt und gesagt: »Ja, das ist mein Thomas.«
Es war das einzige Mal, an das Steiger sich erinnern konnte, von seinem Vater so genannt worden zu sein.
War das einer der Augenblicke, die Eva gestern Abend gemeint hatte?
»Na, Steiger, da haben sie deinen Blau-Weißen aber ziemlich die Eier lang gezogen heute Abend, Junge, Junge«, brüllte Ernesto quer durch den »Totenschädel«, und die meisten anderen an der Theke nickten. Steiger machte eine wohlwollende Handbewegung und wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr ihn die Sache wurmte. Aber wenn man zwei Stunden nach dem Schlusspfiff eine Niederlage der Schalker betrauern wollte, war eine Kneipe im Dortmunder Norden nicht unbedingt der günstigste Ort dafür. Für den Rest des Abends ließen sie ihn aber in Ruhe, und er hatte das ekelhafte Gefühl, es könnte etwas mit Gnade zu tun haben. Die Überlegenheit war erschreckend gewesen.
Er trank ein paar Biere und ein paar Schnäpse, unterhielt sich mit Vicky, die Fußball für eine Erfindung von Idioten für Idioten hielt, und ging nach einer Stunde nach Hause.
Er zog seinen Mantel aus, drückte auf den CD -Player, und Kate Bush begann »Oh, England, My Lionheart« zu singen.
Das wäre ein Konzert gewesen, dachte er wieder und legte sich aufs Bett. Ihm gingen eine Menge Gedanken durch den Kopf, und viele Bilder erschienen, Bilder von seinem Vater, von Eva und von Peter Schulze. Das letzte war eines von Bakary Yameogo, wie er in einen silbernen VW Passat stieg und davonfuhr.
28
Steiger war am Montagmorgen früh aufgewacht, und dieses Bild war immer noch in seinem Kopf gewesen. Er hatte den Fernseher eingeschaltet, zwei Kaffee getrunken und sich irgendetwas angesehen, was gerade lief. Es war das Morgenmagazin, das er nur ertragen hatte, bis der Sport kam, da musste er abschalten. Unter der Dusche, als ihm mit verschränkten Armen, den Kopf gesenkt, das warme Wasser in den Nacken floss – eine Position, in der er ewig verharren konnte –, war ihm die Geschichte wieder und wieder durch den Kopf gegangen und das Bild von Bamogo, der irgendeine unbekannte Frucht schnitt und lächelnd mit ihm sprach. Der Mann hatte so sicher gewirkt.
Batto hatte ihm einmal beim Bier etwas über Körpersprache erzählt, hatte damals sogar die Zahl der Muskeln erwähnt, die wir im Gesicht haben und die bei jedem Wort in Bewegung sind. Steiger wusste noch, dass er beeindruckt gewesen war, hatte aber vergessen, wie viele es waren. Aber er hatte behalten, dass das Unterbewusstsein aus dem Spiel dieser Muskeln herausliest, ob wir jemandem glauben, oder ob wir das für Unsinn halten, was er sagt. Er sah wieder das Gesicht von Daouda Bamogo vor sich, auch das von Svenja Thon und von Nicki Ahlers, und sein Unterbewusstsein sagte ihm, dass das Spiel der Muskeln in diesen Gesichtern ziemlich in Ordnung gewesen war. Aber vielleicht hatte das Unterbewusstsein ja auch mal einen schlechten Tag, denn dass Yameogo was mit dem Tod von Caroline Thamm zu tun hatte, war so sicher wie das Amen in der Kirche. Er hatte sich selbst gefragt, ob er noch ganz richtig im Kopf sei, sich aber in dem Augenblick entschlossen, noch einmal mit Yameogo zu sprechen.
Bakary Yameogo war noch nicht verlegt worden und saß in der Justizvollzugsanstalt Hagen, keine halbe Stunde von Steigers Wohnung entfernt, und da Steigers Dienst erst am Nachmittag begann, war er am Morgen dort erschienen. Die Wachtmeister hatten ein wenig gemosert, weil sie es lieber mit Anmeldung hatten, aber jetzt saß der Täter, den sie ermittelt hatten, in Knastklamotten vor ihm und sah grauenhaft aus, fand Steiger. Er hatte das Bild von einem Zeppelin im Kopf, dessen inneres Gerüst durch unzählige quer verspannte Stahlseile gehalten wurde. Yameogo sah aus, als habe man ihm etliche dieser Seile gekappt. Der Kämpfer in ihm, den Steiger zweimal kennengelernt hatte, war tot.
Die Unterhaltung war schwierig, weil der Afrikaner nicht besonders gut Deutsch sprach; dass er jetzt noch so furchtbar drauf war, machte die Sache nicht einfacher. Er bestritt seit einer halben Stunde weiterhin, irgendetwas mit einem Mord zu tun zu haben, und es gäbe keinen Mittäter.
»Und an den Samstag haben Sie keinerlei Erinnerung mehr, Herr Yameogo, gar nichts?«, fragte Steiger und wusste, dass dem Mann diese Frage schon oft
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