Splitter im Auge - Kriminalroman
sofort«, sagte Batto und zu Steiger gewandt: »Hier ist heute wieder kein normales Gespräch möglich, so geht das echt schon den ganzen Tag.« Er überlegte einen Moment. »Hast du morgen Abend schon was vor?«
»Ich hab’ um fünf einen Notartermin, danach nichts mehr«, sagte Steiger
»Dann komm doch zu uns. Ich merke, dass dir das Thema wichtig ist. Ich werde Anna bitten, dass sie uns was kocht, sie kocht echt klasse. Dann trinken wir was Schönes und reden in Ruhe darüber, okay? Acht Uhr?«
Steiger war einverstanden, und sie verabschiedeten sich.
Beim ET war niemand mehr, zum Glück, dachte Steiger, öffnete langsam die Tür zu Gisas Büro und hatte zum zweiten Mal Glück, denn sie hatte die Aktenkopie der MK Brache noch nicht durch den Schredder gejagt, das gute Stück lag vielmehr noch auf ihrem Schreibtisch. Steiger hielt es für möglich, dass sie vielleicht sogar drin geblättert hatte, um sich selbst ein Bild zu machen.
Er nahm sich die Akte und wollte noch einmal alles durchgehen, um vielleicht noch einen Hinweis zu finden, aber vorher mussten die unaufschiebbaren Dinge erledigt werden.
Er schaltete den Rechner ein und schrieb eine E-Mail ans Kraftfahrtbundesamt mit der Bitte, ihm eine Liste aller silbernen VW -Passat im Kreis Kleve samt der Halter mit Geburtsdatum zu schicken. Zum Glück lag das Gebiet des Funkmastes in einem einzigen Zulassungsbereich, sonst wäre es von vornherein aussichtslos gewesen. Er grenzte noch den genauen Typ und das Baujahr ein, denn das wussten sie vom wirklichen Halter des Düsseldorfer Kennzeichens, und trug das Aktenzeichen der MK Brache ein. Die Chance, eine überschaubare Anzahl herauszubekommen, war zwar auch hier gering, aber er hatte sich entschieden, so vorzugehen wie immer, auch wenn die Umstände nicht so waren. Es war zwar schon reichlich spät für so eine Anfrage, aber er wusste, dass es dort einen Bereitschaftsdienst gab. Das Problem war allerdings, dass sie ihm die Datei wahrscheinlich erst morgen schicken würden.
Er kochte sich eine Kanne Kaffee, setzte sich wieder an den Schreibtisch und schlug die Akte auf.
Als er aufgab und nicht mehr glaubte, etwas zu finden, was ihm weiterhalf, war es schon dunkel geworden und hatte zu regnen begonnen. Sollte er enttäuscht sein?, fragte er sich, denn er hatte vorher nichts übersehen, lediglich ein botanisches Gutachten kannte er noch nicht, das allerdings erst gut eine Woche nach der Festnahme Yameogos fertig gewesen war. Wahrscheinlich hatte er es deshalb noch nicht gelesen. Am Tatort waren nur wenige andere Spuren als die des Täters gewesen. Dieser Teil einer kleinen grünen Frucht war eine andere Spur und hatte bei der Leiche im Gras gelegen. Laut Gutachten war es die Frucht von einem Speierling. Steiger hatte noch nie von diesem Baum gehört und keine Ahnung, wie er aussehen konnte. Er las weiter, dass es sich dabei um einen Wildobstbaum aus der Familie der Rosengewächse handelte, und das war es auch schon. Hinter dem Gutachten war noch ein Vermerk von Detlef Fennel vom KK 11, er hatte nachträglich mit einem Gärtner den Fundort der Leiche abgesucht und notiert, dass im Umkreis von einhundert Metern keine Speierlinge zu finden waren, die Frucht also beim Ablegen des Opfers dorthin gelangt sein konnte. Das war nicht viel, trotzdem suchte Steiger im Computer die Adresse des zuständigen Regionalforstamtes Niederrhein. Es hatte seinen Sitz in Wesel, und er notierte sich die Telefonnummer. Bevor er abschaltete, überprüfte er noch einmal sein E-Mail-Fach und fand die Auswertung des Kraftfahrtbundesamtes schon in seinem Eingangsordner. Er pfiff durch die Zähne. Ziemlich schnell, die Kollegen, dachte er. Es war die befürchtete Menge, er überflog die Seiten und tippte auf ein paar hundert Adressen. Er hatte vor, zunächst alle Halter, die über fünfzig waren, rauszuschmeißen, und hoffte, dass das eine ganze Menge waren. Schließlich war ein silberner Passat Kombi genauso eine Rentnerkiste wie ein brauner Ford 20M vor dreißig Jahren.
Steiger musste an die Collage auf einer roten Spanplatte denken, die seit Urzeiten in den Räumen des KK 11 hing und die wahrscheinlich mal zu irgendeinem Jubiläum gebastelt worden war. Darauf stand: Kriminalisten brauchen Kombinationsgabe, Glück, Teamwork und Fleiß, und die Begriffe waren mit den Symbolen Schachbrett, Hufeisen, ineinandergreifenden Zahnrädern und durchgelatschten Schuhen versehen. Dieses Mal werden es wohl mehr die Schuhe, dachte er. Er schaltete
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