Splitterfasernackt
ersten Mal nach Mellingen zu gehen, da habt ihr Mädchen ein ganzes Haus für euch, das in drei Wohnungen aufgeteilt ist, von denen jede jeweils zweistöckig ist und direkt am Wasser liegt, es ist sehr schön dort, und du bist auch nicht alleine. Um die Anzeigen kümmere ich mich, Handys liegen in den Wohnungen bereit – zwei Schweizer Handys für die Kunden und eins für deutsche Anrufe. Du machst selbst deine Termine aus, nur so viele, wie du möchtest, und auch von wann bis wann du arbeitest, kannst du dir selbst aussuchen. Zwischendurch darfst du natürlich jederzeit machen, was du willst, die Handys kannst du ja einfach mit rausnehmen oder, wenn dir das Gebimmel auf die Nerven geht, ausschalten.«
Schon eine Woche später lande ich in Zürich, um dreizehn Tage lang das Arbeiten in der Schweiz auszuprobieren. Urs, ein putzsüchtiger Hippie, dem das Haus an der Reuss gehört, holt mich vom Flughafen ab und bringt mich nach Mellingen. Unterwegs erzählt er mir, wie wichtig es sei, regelmäßig alle Kalkflecken zu beseitigen. Ich nicke und schließe die Augen. Dann versuche ich mit geschlossenen Augen die Augen zu verdrehen. Aber es tut weh, und außerdem ist es anstrengend, also lasse ich es lieber.
Ansonsten ist Urs ganz nett. Wahrscheinlich ist er einfach nur benebelt vom Putzmittelschnüffeln. Immerhin trägt er meinen Koffer zu dem schicken weißen Haus mit dem hübschen kleinen Vordach, und auch sonst scheint er kein Axtmörder zu sein. Das reicht mir vollkommen aus.
Lisa steht schon vor ihrer Wohnungstür, um mich strahlend zu begrüßen.
»Hey, Lilly, schön, dich endlich wiederzusehen!«, sagt sie und fällt mir um den Hals.
Ich stehe wie so oft, wenn ich berührt werde, einfach nur da und warte ab, was wohl mit mir geschehen mag. Es gibt keinen ohrenzerfetzenden Knall, und ich löse mich auch nicht in Luft auf. Das ist gut, nehme ich an. Aber dann bekomme ich Heimweh. Keine Ahnung wohin, doch es reißt an meiner geschundenen Seele.
Aber Lisa lässt mir gar nicht erst die Zeit, darin zu versinken, sie klingelt bei Isabella, der anderen Frau, die gerade eine der drei Wohnungen gemietet hat, und dann gehen wir alle zusammen frühstücken.
»Leider ist es zurzeit total ruhig hier«, meint Isabella, als wir kurze Zeit später in einem Café ein paar Straßen weiter sitzen. »Sei froh, wenn deine Handys überhaupt klingeln. Mittlerweile gibt es auch in der Schweiz zu viele Frauen, die Quickies für hundert Franken anbieten, da nörgeln die Typen dann immer rum, wenn du ihnen sagst, dass du erst bei zweihundert Franken anfängst und Extras nicht inklusive sind.«
»Ja«, stimmt Lisa zu, »aber dafür sind die Männer, die letztendlich vorbeikommen, meistens supernett und großzügig!«
Isabella nimmt sich noch ein Brötchen und legt auch mir gleich eins auf den Teller.
»Wenn jemand komisch oder außergewöhnlich blöd am Telefon klingt, dann leg einfach wieder auf und verrate ihm bloß nicht, wo du wohnst!«, sagt sie, während sie Butter auf der einen Brötchenhälfte verstreicht.
»Und der Typ, der immer anruft und fragt, ob du dich schon einmal für ihn ausziehen kannst, um dann nackt vor der Haustür auf ihn zu warten, der hört sehr schnell mit seinen nervigen Anrufen auf, wenn du dir eine Trillerpfeife zulegst!«, fügt Lisa noch augenzwinkernd hinzu.
»Ach übrigens, wundere dich nicht, wenn irgendwann einmal eine ziemlich hysterische Frau vor deiner Tür steht und kreischt«, ergänzt Isabella. »Ihr Mann war bei allen Mädchen, die bisher hier gearbeitet haben, Stammkunde, und seit sie das herausgefunden hat, kommt sie manchmal vorbei und schreit, dass die Wände wackeln. Aber mittlerweile hat es sich gelegt, sie taucht nur noch alle vier Monate auf. Also vielleicht hast du Glück und kommst darum herum.«
Frauen. Warum lassen sie sich von einem Mann dermaßen aus der Fassung bringen? Was kann so toll sein an einem Mann, von dem man mindestens einmal pro Woche betrogen wird, dass es sich lohnen würde, für ihn einen Nervenzusammenbruch zu riskieren?
Außerdem kann man vollzogenen Sex nicht einfach wegkreischen. Da bin ich mir absolut sicher.
Denn wenn es so einfach wäre.
Dann würde ich kreischen.
Und kreischen.
Und kreischen.
Bis mein Hals wund und blutig wäre.
Nach dem Frühstück spazieren wir am Wasser entlang zurück zu unserem Haus. Meine Wohnung liegt ganz rechts, und Lisa hat mir wirklich nicht zu viel versprochen: Eine funkelnagelneue Einbauküche, zwei
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