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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Angst einjagte. Schon der Gang über den Parkplatz war ein Spießrutenlauf gewesen. Ein Pferdeanhänger samt Ungetüm neben dem anderen. Ich hatte mei­ne Augen zu Boden gerichtet und hin und wieder »Ja« und »Klasse« und »Hmhm« gemurmelt, um Maike in alldem beizupflichten, was sie so vor sich hin schnatterte. Natürlich war diese Art der Freizeit­gestaltung - eine Schulkameradin zu einem Reitturnier zu beglei­ten - sachlich betrachtet wesentlich weniger gefährlich, als Colin aufzusuchen. Aber es erschien mir wie eine Prüfung. Nur hier, am Zaun des Dressurplatzes, fühlte ich mich einigermaßen sicher. Hin­ter mir standen Biertische und Bänke, da passte kein Pferd dazwi­schen. Und der Platz vor mir war noch gähnend leer.
    Doch auf dem schattigen Viereck hinter dem Dressurplatz  mach­ten die ersten Reiter bereits ihre Pferde warm, überall wuselten klei­ne Hunde herum und an den Banden fanden sich immer mehr Zu­schauer ein. Wo zum Teufel blieb Maike? Ich sah ihren Blondschopf kurz bei dem Verpflegungszelt auftauchen und wieder verschwin­den. Sie sollte sich gefälligst beeilen.
    Die Lautsprecher über mir knackten.
    »Guten Morgen. Wir starten jetzt mit dem zweiten Durchgang der S-Dressur, der Kür«, verkündete eine gelangweilte Männerstim­me.
    Ich griff Halt suchend an die raue Zaunlatte. Mein Magen hob sich ein Stück und ich versuchte vergeblich zu schlucken.
    »Wir rufen die erste Teilnehmerin auf: Sandra Meier auf Ottilie.« Ein kräftiges kleines Fräulein auf einer gedrungenen Fuchsstute näherte sich dem Dressurplatz.
    »Hier!« Etwas Weiches berührte meinen Arm. Maike! Gott sei Dank.
    »Da bist du ja«, begrüßte ich sie aufatmend.
    »Klar. Es geht doch jetzt los. Ach, die Sandra«, sagte Maike und musterte Ottilie prüfend. »Hier«, wiederholte sie. Ich schaute nach unten. Sie drückte mir einen Pappteller mit einem dicken Stück Himbeertorte gegen den Unterarm. Puh. Angst vertrug sich nicht mit Essen, schon gar nicht mit Torte. Trotzdem bedankte ich mich und schob ein paar Krümel in meinen ausgetrockneten Mund. Das Schlucken fiel mir schwer.
    Ottilie näherte sich mit geblähten Nüstern und stierem Blick. Ein eisiger Windstoß rüttelte an den Büschen neben der behäbig tra­benden Stute und kreischend lösten sich zwei Krähen aus den Zwei­gen. Ottilie scheute und sprang zur Seite.
    »Och nee«, rief Maike enttäuscht. Ein kollektives Stöhnen ging durch die Reihen der Zuschauer. Ottilie wollte nicht mehr. Sie riss den Kopf zur Seite, tänzelte, brach aus. Mir war alles recht, solange sie nur nicht zu uns in die Ecke kam, obwohl sie genau das eigentlich sollte. Sandra Meier tippte sich resigniert an den Hut.
    »Die Reiterin gibt auf. Wir rufen die nächste Starterin. Larissa Sommerfeld auf Sturmhöhe.«
    In diesem Moment brach hinter dem Dressurviereck ein Tumult los und Larissa Sommerfeld - weißblond und mit hektischen Fle­cken im Gesicht - hatte allergrößte Mühe, ihren langbeinigen Schimmel Sturmhöhe im Zaum zu halten. Neugierig hob ich den Blick. Der Kuchen rutschte mir aus den Händen und fiel klatschend auf meine Sandalen. Doch ich schaute nicht nach unten. Louis war aufgetaucht, ein lichtgesprenkelter, wuchtiger Schatten unter den rauschenden Bäumen.
    »Colin«, sagte Maike verächtlich. »Der schon wieder.« Dann äugte sie missbilligend auf meine Füße, wo die Himbeeren blutrot zwi­schen meine Zehen sickerten. »Oh Mann, Ellie.« Sie kramte ein Ta­schentuch aus ihrer Hose und begann auf meinen Sandalen herum­zuwischen. Säuerlicher Schweißgeruch stieg zu mir hoch.
    »He, das ist nicht schlimm, lass doch«, bat ich sie. »Ich hatte eh keinen Hunger.« Maike richtete sich wieder auf und zerknüllte das feuchte Taschentuch in ihrer Faust. Mit schmalen Augen blickte sie auf den Turnierplatz. Larissas Gesicht war puterrot angelaufen, doch sie brachte ihre Aufgabe prustend zu Ende. Ihre Würde war allerdings auf halber Strecke flöten gegangen. Colin blieb mit Louis unter den Bäumen, die anderen Reiter drängten sich ratlos auf der anderen Seite zusammen. Schon begannen die ersten Zuschauer ihre Köpfe zu senken und miteinander zu flüstern; ein missgüns­tiges, giftgetränktes Raunen, das ihre Gesichter in hässliche Fratzen verwandelte und sich wie das Summen aggressiver Hornissen in meinen Ohren einnistete.
    »Wir bitten den nächsten Teilnehmer auf den Dressurplatz. Colin Blackburn auf Louis d’Argent.«
    Die Anspannung verschärfte sich und es wurde

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