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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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be­schützen vor mir, dem Dämon - jenes Fohlen, das ich in einer  hei­ßen Sommernacht mit blutverschmierten Händen aus Alishas Leib gezogen hatte, weil sie von den stundenlangen Wehen entkräftet gewesen war. Warum nur hatte ich vorhin nicht daran gedacht? Ich hasste mich schon jetzt dafür.
    »Alisha«, versuchte ich es ein letztes Mal. »Hilf mir. Wir müssen fliehen. Jetzt!« Ich holte Schwung und zog mich auf ihren Rücken. Zur Not konnte ich mich an ihrer Mähne festhalten und ihr Fohlen würde ihr ohnehin folgen.
    Doch Alisha stieg. Wild wirbelten ihre Hufe durch die Luft. Ich rutschte von ihr herunter und prallte rücklings auf den harten Bo­den. Mein Kopf schlug gegen die Tränke. Es schmerzte kaum. Nicht mehr als der Zorn, der in meinem Herzen loderte.
    Ich schaute sie an, ein letztes Mal. Wenigstens das musste sie mir gewähren. Aber ich war ihr ein Fremder, der Böses wollte. Erneut stieg sie und trat um sich und ihr Huf traf hart und brutal meinen nackten Bauch -
    Ich schrie, doch es kam kein Laut. Vor Schmerzen winselnd kroch ich zur Tür, zog mich an der Klinke hoch und drückte mit letzter Kraft den Lichtschalter.
    »Oh Gott ...«, wimmerte ich und hielt mir stöhnend den Bauch. Die Traurigkeit und Verzweiflung brachten mich fast um. Einen Moment lang spielte ich mit dem verlockenden Gedanken, mich aus dem offenen Fenster zu stürzen und dieser Qual ein Ende zu setzen. Ich hatte alles verloren, alles.
    Schluchzend lag ich auf dem Boden und krallte meine Hände in die weichen Flickenteppiche. Dann lösten die Trauer und die Ver­zweiflung sich langsam auf, als wehe der milde Nachtwind sie da­von. Was blieb, war der pochende Schmerz auf meinem Bauch und die Erinnerung an die verschwindenden Seelenqualen. Schon jetzt hatte ich Angst, dass sie mich immer wieder heimsuchen würde.
    Ich wälzte mich herum und zog mich an den Beinen des  Schreib­tisches in eine einigermaßen erträgliche Sitzposition. Mein Nacht­hemd war zerrissen. Unterhalb meines Nabels zeichnete sich deut­lich der Hufabdruck eines Pferdes ab.
    Als ich ihn berührte, raubte der Schmerz mir fast die Besinnung. Mir wurde übel. An der verletzten Stelle pulsierte die Haut heiß und begann sich bereits blaurot zu verfärben. Jedes Luftholen wurde zur Tortur. Ich hatte das Gefühl, dass die Klauen eines Tieres meinen Bauch durchpflügten. Was war, wenn ich innere Verletzungen hatte? Blutungen, die mich das Leben kosten könnten? Wie sollte ich über­haupt erklären, was geschehen war? Das hier war das Werk eines Pferdes, dessen Gebeine schon lange verrottet waren ...
    Mühsam richtete ich mich weiter auf, bis ich leicht gekrümmt stehen konnte, ohne mich dabei festzuhalten. Wenn ich dem Tode nah wäre, würde das sicher nicht funktionieren, redete ich mir ein. Nichtsdestotrotz hatte ich Angst, Angst vor dem, was mir eben wi­derfahren war. Prüfend tastete ich mich ab. Gut, es war noch alles dran und es war alles unzweifelhaft weiblich. Ich war wieder ich. Mit einem Huftritt unter dem Nabel.
    Schwankend kämpfte ich mich aus meinem zerrissenen Nacht­hemd und zog mir Jeans und T-Shirt an. Aufrecht laufen konnte ich nicht. Ich musste mich immer noch zusammenkrümmen und hink­te dadurch wie eine alte Jungfer. Schon bei meinen tapsigen Schrit­ten die Treppe hinunter schwoll die Verletzung an. Keine Panik, be­schwor ich mich. Panik macht alles nur noch schlimmer.
    Sobald ich das Haus hinter mir gelassen hatte, rückten die Schmer­zen in den Hintergrund. Ich war vollauf damit beschäftigt, in der stockfinsteren Nacht den richtigen Weg zu finden. Hatte ich ihn in dieser einen öden Woche schon wieder vergessen? Die Hand fest auf meinen verletzten Bauch gepresst, stand ich schwer atmend an der Weggabelung und überlegte. Ja, ich hatte mich immer nach links orientiert, doch eine unerklärliche Macht überzeugte meinen  Verstand davon, dass ich diesmal die rechte Abzweigung wählen muss­te. Rechts. Es war der einzige richtige Pfad.
    Also lief ich gekrümmt und leidgeplagt ins Ungewisse, bis ich re­gelmäßige Hammerschläge hörte, die beruhigend nüchtern durch den Wald schallten. Hammerschläge. Träumte ich doch noch?
    »Ich bin hier, Ellie«, erklang Colins Stimme, rein und klar wie immer.
    »Du ...«, knurrte ich, holte erbebend Luft und hinkte den Ham­merschlägen entgegen. Nach einer weiteren Wegbiegung und di­versen garantiert nicht jugendfreien Flüchen fand ich ihn.
    Er kniete an einer Art Gatter und war gerade dabei, eine

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