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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Kontaktlinsen geflogen und ein­mal hatte ich absteigen müssen, weil ich einen Krampf in der Wade hatte. Ich war nass geschwitzt, halb blind und kurz vorm Verdurs­ten. Maike hob ratlos die Schultern.
    »Es ist nicht mehr weit«, rief sie schließlich. Ich schnaubte nur. Das sagte sie nun schon zum fünften Mal. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren. Niemals würde ich diesen Weg ein zweites Mal alleine finden oder gar ohne Lotse nach Hause fahren können. Aber Maike hatte gesagt, auf der Landstraße sei es zu gefährlich. Außerdem wäre das hier eine Abkürzung. Eine Abkürzung!
    »Na komm, die paar Meter noch!« Schon traten ihre strammen Schenkel wieder in die Pedale. Ich folgte ihr fluchend. Dann, nach einer neuerlichen Steigung und einem hölzernen Brückchen, das wenig vertrauenerweckend rumpelte, lichtete sich der Wald. Maike sprang vom Rad. Ich tat es ihr erleichtert nach, obwohl ich sie noch nicht eingeholt hatte. »Igitt«, murmelte ich angewidert, als ich dem aufdringlichen Schmatzgeräusch unter meinen Sohlen folgte und nach unten schaute. Halleluja. Ich stand mitten in einem beeindru­ckenden Haufen frischer, glänzender Pferdeäpfel.
    Wir waren also da. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und sah mich um. Das Abendlicht schmeichelte dem verfallenen Gehöft vor mir. Mit etwas gutem Willen konnte man es als wilde Idylle be­zeichnen. Es war keine Ruine, aber auf einem vielversprechenden Weg dorthin. Das Dach war mehrfach notdürftig geflickt worden und schwarzgrüner Efeu rankte sich geschwürartig an der Vorder­front empor. Glasfenster gab es keine. Überhaupt schien das Haupt­haus unbewohnt zu sein. Doch das Nebengebäude war unverkenn­bar ein Stall. Ich hörte ein leises Wiehern und auf dem Hof lag ein riesiges Netz voller Karotten.
    Der Stall machte nicht den Eindruck, als würde hier jemand seine Pferde anbinden. Mein Herzschlag setzte kurz aus, als ich Maike in großzügigem Sicherheitsabstand über eine offene Wiese zum grob gepflasterten Hof folgte. Auf der anderen Seite des Gehöfts befand sich ein großflächiger Reitplatz. In einem völlig willkürlichen Mus­ter verrotteten Hindernisse unter dem stetigen Zerren von Wind, Regen und Sonne. Fünf schlammverkrustete Ponys grasten auf der Weide hinter dem Stallgebäude und drehten ihre Köpfe, als Maike zu ihnen hinüberpfiff.
    In meinem Magen breitete sich die vertraute Übelkeit rasant aus. Jetzt war es wieder so weit: Ich fürchtete umzukippen, den Verstand zu verlieren, weder sprechen noch mich bewegen zu können - kurz: einfach absolut hilflos zu sein.
    »Ellie? Was ist?« Ich stand immer noch auf der Wiese und hielt mein Fahrrad umklammert. Maike lächelte mir zu. »Stimmt etwas nicht?«
    Ich schluckte trocken. »Doch, doch - es ist - ich muss nur mal kurz Luft holen.« Dabei gelang mir genau das nicht mehr. Ich ver­suchte es, aber es war nur eine Art Hecheln. Meine Lungen schienen klein wie Tennisbälle zu sein. Es passte einfach nicht genug Luft hi­nein.
    »Guck mal, da sind ja auch schon die anderen!«, rief Maike und winkte zum Stall hinüber. Oh nein. Nicht das noch. Die schwarze Lola und das Busenwunder Nadine. Meine schweißnassen Finger rutschten vom Lenker. Das Fahrrad schlug scheppernd gegen meine Knie und riss mich zu Boden. Hart prallte das Schutzblech gegen meine Stirn. Ich öffnete meine Fäuste und schloss ergeben die Au­gen. Konnte ich nicht einfach ein bisschen hier liegen bleiben? Doch schon hörte ich das Rascheln sich nähernder Füße, die rücksichtslos das hohe Gras um mich herum platt traten.
    »Mensch, Ellie«, kicherte Maike. »Was machst du denn?«
    Ein paar Sekunden stellte ich mich tot, dann schlug ich mit einem tiefen Seufzen die Augen auf und blickte in drei neugierige Gesich­ter.
    »Gleichgewicht verloren.« Ich richtete mich auf, zog das Fahrrad aus dem Gras und wartete, bis das Klopfen in meinen Schläfen leiser wurde. »Schwindlig.« Ich hatte kaum mehr Speichel im Mund. Mei­ne Zunge klebte am Gaumen.
    Die Ponys waren ans Gatter getrabt und äugten neugierig zu uns herüber. Maike nahm mir geduldig das Rad aus der Hand und lehn­te es an den Zaun. Mit einem kurzen Blick überzeugte sie sich da­von, dass ich unverletzt war, und nickte geschäftig.
    »Ich nehm die Kira«, verkündete sie und deutete auf ein dickes braunes Pferd mit zotteliger Mähne. »Lotte nimmt Pepita und Na­dine Prinz.« Prinz war ein kleines weißes Pony. Ich fragte mich, wie es Nadines Gewicht tragen sollte. Lotte hatte

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