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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Das kalte Nass vertrieb den Ekel und die Angst, die mir eben noch durch Mark und Bein geschossen waren. Colin reichte mir ein Handtuch. Ich trocknete mir das Gesicht ab und sah, dass er ein Glas mit Wasser auf die Anrichte gestellt hatte. Neben dem Ce­rankochfeld blitzten eine nagelneue Saftpresse und eine vermutlich sündhaft teure Edelstahl-Espressomaschine um die Wette. Die ge­samte Küche wirkte unbenutzt und clean.
    »Ich mag die modernen Geräte, aber ich koche fast nie«, erwiderte Colin meine Gedanken. Typisch Mann. Ich verkniff mir ein Grin­sen.
    Das Wasser schmeckte köstlich. Rein und samtig glitt es durch meine Kehle. Überdeutlich nahm ich meine Schluckbewegungen wahr. Colin beobachtete mich mit unergründlichem Blick.
    »Gehen wir wieder nach draußen?«, fragte er, als mein Durst ge­löscht war. Ich nickte und verließ zusammen mit ihm das Haus. Die natürliche Dunkelheit war wohltuend. Froh, dem gleißenden Elektrolicht entkommen zu sein, beugte ich mich nach vorne und nahm meine Kontaktlinsen heraus. Hier draußen war es egal, ob ich gut sah oder nicht. Alles um uns war graublau und weich.
    Lautlos setzte sich Colin auf eine Holzbank. Ich ließ mich schüch­tern neben ihm nieder. Die frühsommerliche Wärme umschmei­chelte uns. Ab und zu erhellte ein Wetterleuchten die Lichtung und warf bizarre Schatten auf den Kies der Einfahrt. Doch die lastende Schwüle hatte sich verzogen. Nun fand auch der Mond eine Lücke zwischen den Wolkentürmen und verwöhnte uns mit seinem bläu­lichen Schimmer.
    Ich zog die Beine an und wandte mich Colin zu, der stumm neben mir ruhte. Wieder erstarrte ich. Sein Gesicht sah anders aus als vor­hin im Licht der Stalllaterne. Viel - weicher und auch die Haut wirkte weniger blass und fahl. Sie schien zu blühen. Seine Züge wa­ren immer noch markant, doch so beseelt und lebendig, dass ich ins Staunen geriet. Langsam drehte er seinen Kopf und ich konnte ihm in die Augen schauen. Sie glitzerten amüsiert.
    »Du bist eine gute Schauspielerin, Ellie. Aber nicht gut genug für mich«, sagte er unvermittelt.
    »Was meinst du damit?«, stotterte ich verwirrt.
    »Das weißt du genau«, antwortete er, ohne seinen ironischen Blick von mir abzuwenden. Mit Mühe lenkte ich meine Augen auf Mister X, der zwischen uns Platz genommen hatte und schnurrend seinen schweren Kopf an Colins Arm rieb.
    »Aber ich spiele doch gar nichts«, verteidigte ich mich.
    »Nein, jetzt wohl nicht. Aber ansonsten ununterbrochen. Wahr­scheinlich sogar vor deinen Eltern.«
    »Woher -?« Entrüstet stand ich auf und versuchte, mich vor ihm aufzubauen. Sein Grinsen verstärkte sich. »Woher willst ausgerech­net du das wissen?«
    »Ich habe eine gute Menschenkenntnis. Du bist nicht du selbst.«
    Oh. Der Herr hat eine gute Menschenkenntnis. Natürlich. Was kann der Herr eigentlich nicht gut?, dachte ich erbost.
    Doch daran, dass meine Augen verräterisch zu brennen begannen, merkte ich, dass er ins Schwarze getroffen halte.
    Nein, du wirst jetzt nicht weinen, redete ich mir im Stillen zu. Das wäre dann nämlich ich selbst und eine Heule will niemand haben - erst recht nicht angehende Förster mit grausigen Wild­schweinhälften im Keller.
    Aufseufzend setzte ich mich wieder neben ihn und fuhr mir ner­vös durch die Haare.
    »Wenn ich ich selbst wäre, dann ... dann ... Es wäre eine Kata­strophe«, murmelte ich. »Das geht nicht. Das will keiner erleben. Bist du denn etwa du selbst?«, fragte ich angriffslustig.
    »Ja«, sagte er ruhig und kraulte Mister X den Bauch.
    »Hm. Dann bist du aber ...« Ich brach ab.
    »Was bin ich?« Sein Grinsen wurde mir langsam etwas zu pro­vokant.
    »Sehr seltsam. Um es mal vorsichtig auszudrücken.« Ich ver­schränkte die Arme vor meiner Brust und rückte ein Stück von ihm weg.
    »Ich habe nie bestritten, dass ich seltsam bin. Ich bin seltsam. Im wahrsten Sinne des Wortes.« Nun war sein Grinsen verschwunden und eine winzige, scharfe Falte grub sich in seinen linken Mund­winkel.
    Er wandte sich von mir ab und richtete seinen Blick auf den Mond, der milchig durch die hohen Tannen schimmerte. Wieder schwirrte ein Nachtfalter heran. Er ließ sich auf Colins Wange nie­der. Seine dünnen Fühler glitten tastend über Colins Haut, als wür­den sie dort köstlichen Nektar trinken.
    Colins Selbstsicherheit tat mir nicht gut. Noch immer kitzelten die Tränen in meinen Augenwinkeln. Ich hatte keine Lust, mich von ihm hier therapieren zu lassen. Und er hatte vollkommen

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