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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Wolken gehüllt. Felder, die sich zum Fenn hinunter erstreckten.
    Zu bestimmten Zeiten des Jahres arbeiteten viele Männer und Frauen, aber hauptsächlich Männer, vornüber gebeugt auf diesen Feldern und ernteten. Kartoffeln, Kohlrabi, Kohl, Rüben. Polen, Litauer, Slowaken, Tschechen. Manchmal liefen sie hinter klappernden Maschinen her, manchmal ernteten sie von Hand. Bestenfalls für vier Pfund fünfzig brutto die Stunde. In manchen Monaten sah er ihre Umrisse nachts im Scheinwerferlicht, wie sie sich im Akkord bückten.
    Susie drehte sich ein wenig und gab im Schlaf ein Geräusch von sich, klein und zart, und Will legte seine Lippen auf ihren Kopf, auf die Fontanelle, das weiche Gewebe, wo sich die Schädelknochen noch schließen mussten.
    Stephen Bryans Schädel war an fünf Stellen zerschmettert worden.
    Fünf.
    Er veränderte vorsichtig seine Haltung, sodass Susies Gesicht sich nach innen zu seiner Brust neigte und ihr Atem schwach an sein Herz blies. Das erste Zeichen von Licht am Horizont.
    Was sagst du dann?
    Er wusste es nicht.
     
    Die Sensationspresse blieb ihren Gepflogenheiten treu. Die offiziellen Verlautbarungen der Polizei waren spärlich gewesen: Die Ermittlungen seien im Gange, wer Hinweise habe, solle sich bitte an diese Nummer wenden – die übliche |60| wortkarge Vorsicht. Fragen zu Stephen Bryans sexueller Orientierung waren heruntergespielt und größtenteils ignoriert worden. Aber das erwies sich als kontraproduktiv und diente nur dazu, die Gerüchteküche anzuheizen; bestimmte Polizeibeamte, ein paar wenige, lieferten für die nicht unerheblichen Vorschüsse, die sie erhalten hatten, eine Mischung aus Tatsachen und fantasievollen Gerüchten. Die eher zurückhaltenden Medien reagierten mit einer Melange aus seriöser Berichterstattung, Mutmaßungen und zweideutigen Anspielungen; solche, für die Zurückhaltung ein Schimpfwort war, druckten reißerische Geschichten über gewalttätige Sexualpraktiken und die zwielichtige Welt von Männern auf der Suche nach schnellem Sex.
Hiebe statt Liebe
lautete eine Schlagzeile und reduzierte damit den brutalen Mord an einem Menschen auf den kindischen Witz eines Redaktionsassistenten.
    Die Wahrheit, soweit Will und Helen sie ausmachen konnten, war viel banaler, wenn auch von geringerem unmittelbarem Nutzen. Unbekannte Gesichter fielen in Schwulenkneipen und Bars normalerweise auf, aber Bryans Foto hatte bislang kaum zu etwas geführt. Kann sein, vielleicht – so lauteten die Reaktionen, das war alles. Wie Nick Moyles sich ausdrückte: Wenn Bryan sich seit seinem Umzug nach Cambridge unter die Leute gemischt hatte, so hatte das keine Spuren hinterlassen. Was die eine Begegnung betraf, von der es seit neuestem Beweise gab, so sagte Moyles: »Man braucht nicht in einen Schwulenclub zu gehen, um schwule Männer zu treffen.« Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: »Der Gang mit den Fertiggerichten bei Sainsbury’s soll geradezu ideal sein, Will, wenn dir mal danach ist.«
    Die Ermittlung geriet in Gefahr, zu stocken. Die kurze Liste mit Namen, die McKusick geliefert hatte, musste |61| noch überprüft werden, aber Will hatte sie ohne allzu große Hoffnung betrachtet.
    Er lief über den Parkplatz, als eine Frau aus einem relativ alten Peugeot ausstieg und auf ihn zukam.
    »Detective Inspector Grayson? Kann ich bitte mit Ihnen sprechen?«
    Anfang dreißig, dachte Will. Intelligentes Gesicht, mittlere Größe, eher kräftig als schmal, rotbraune Haare, die seitlich abstanden. Ein blauer Mantel; über der Schulter eine schicke rote-graue Tasche so groß wie ein Laptop.
    »Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben?« Die Stimme war professionell, höflich, aber bestimmt. »Lesley Scarman.« Sie streckte die Hand aus.
    Den Namen kannte er nicht, aber er erkannte das Auftreten.
    »Sie sind Reporterin.«
    »BBC Radio Nottingham.«
    »Dann ist das hier nicht Ihr Revier.«
    »Scarman ist mein Ehename. Früher hieß ich Bryan. Ich bin Stephens Schwester.«
    Jetzt konnte er eine gewisse Familienähnlichkeit entdecken: etwas am Schnitt der Augen, die Form des Mundes.
    »Ich dachte, Sie wären in Neuseeland«, sagte Will.
    »War ich auch. Ich bin vor ein paar Monaten zurückgekommen«, erklärte Lesley. »Ich möchte mich nach der Ermittlung erkundigen.«
    »Was wollen Sie denn wissen?«
    »Wie es läuft, welche Fortschritte Sie machen. Eigentlich alles. Was immer Sie mir sagen können. Ich wollte Sie gestern schon aufsuchen, nachdem wir Stephens Leiche gesehen haben.

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