Splitterndes Glas - Kriminalroman
Walker gegen |207| den Kopf geschlagen und erlitt Stichwunden, von denen mindestens eine ernsthaft, aber nicht lebensbedrohlich sein soll. Da sie außer Dienst war, trug Detective Sergeant Walker zum Zeitpunkt des Vorfalls keine Schutzkleidung.«
Will stopfte sein Hemd irgendwie in die Hose und schnallte den Gürtel zu. Sein Gesicht war weiß. Als Lorraine, die in der Tür stand, eine Frage stellen wollte, legte er verärgert einen Finger an die Lippen und brachte sie so zum Schweigen.
»Ein Mann, der während des Vorfalls verletzt wurde«, fuhr der Nachrichtensprecher fort, »wird wegen schwerer Kopfverletzungen behandelt. Ein zweiter Mann wurde über Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Beide sollen Studenten sein. Die Polizei hat den Tatort abgesperrt, um Spuren zu sichern. Der Verkehr wird umgeleitet.«
Will zog seine Schuhe an.
»Detective Superintendent Malcolm Rastrick, der die Ermittlung in diesem Fall leitet, hat alle Personen, die während der fraglichen Zeit in der Nähe waren, aufgefordert, sich umgehend zu melden. ›Es handelt sich um einen feigen Angriff auf eine unbewaffnete Polizeibeamtin‹, sagte der Superintendent, ›und wir sind entschlossen, die Verantwortlichen so bald wie möglich zu fassen.‹«
»Hast du Zeit für eine Tasse Tee?«, fragte Lorraine. »Oder etwas zu essen?«
»Besser nicht.« Er küsste sie schnell im Vorbeigehen und eilte die Treppe hinunter.
»Hoffentlich ist es nicht so schlimm.«
Will nickte.
»Grüß sie bitte von mir. Und fahr vorsichtig.«
Er rief das Krankenhaus an, als er im Wagen saß.
|208| Will hasste Krankenhäuser. Den Geruch, die Armut, die Hoffnungslosigkeit. Er hatte zusehen müssen, wie sein Vater langsam starb, hatte Stunde um Stunde neben seinem Bett gesessen. Erst als er schließlich nach draußen ins Freie gegangen war, um durchzuatmen, hatte sein Vater aufgehört, nach Luft zu ringen, als hätte Wills Abwesenheit ihm die Erlaubnis dazu gegeben.
Der größte Teil der Intensivstation war in Einheiten von je vier Betten aufgeteilt, aber am hinteren Ende gab es auf beiden Seiten einige Einzelzimmer. Helen lag in einem davon; an der Seite ihres Halses führte ein durchsichtiger Infusionsschlauch in eine Vene. Ein blauer Dreiwegehahn sorgte dafür, dass systematisch Blut und Flüssigkeiten in ihren Körper gepumpt wurden.
Will blieb fast eine Stunde bei ihr, und während dieser Zeit hielt er ihre Hand und sagte ihr immer wieder, dass alles gut werden würde. Ob sie ihn hörte oder nicht, war ungewiss.
»Sie wird noch eine Weile benommen sein«, sagte die Schwester, »solange die Narkose am Abklingen ist.«
Will nickte und blieb bei ihr sitzen, hielt Ausschau nach der kleinsten Bewegung, dem Zucken eines Augenlids, irgendetwas. Einmal öffnete sie wirklich die Augen und sprach, gab zumindest einen Laut von sich, ein verzerrtes Wort, wie es sein Sohn manchmal im Schlaf ausstieß. Aber dann verfiel sie wieder in Schweigen.
Als Helens Eltern eintrafen – gehetzt, nervös, in panischer Sorge – und gleich darauf ihre Schwester, gab er seinen Stuhl auf und ging weg, stellte sich hinter die Glaswand am Ende des Raums und sah hinein. Helens Gesicht war so bleich auf dem weißen Kissen, dass es zu verschwinden schien.
Als wären sie unter Wasser, bewegten sich hinter ihm die |209| Schwestern methodisch und fast lautlos, gingen von Patient zu Patient, von Bett zu Bett, kontrollierten und notierten.
Helens Vater hob sanft eine ihrer Hände in die Höhe und hielt sie an seine Lippen, und Will sah vor Verlegenheit weg.
Als ein Arzt aus einem der Seitenräume gegenüber kam, schnellen Schrittes und mit flatterndem weißen Kittel, versuchte Will, ihn abzufangen, aber er rauschte weiter.
»Entschuldigen Sie …« Seine Worte blieben in der sterilen Luft hängen.
Er versuchte, seine Ungeduld unter Kontrolle zu bringen, und wartete auf die Rückkehr des Arztes. Sein Herz, das vorher gerast hatte, schien sich so verlangsamt zu haben, dass er es kaum schlagen spürte. Aber er wollte nicht nur über Helens Zustand informiert werden, er wollte auch mehr darüber erfahren, was passiert war und wie weit die Suche nach den Verantwortlichen gediehen war; er wollte mit Malcolm Rastrick in der Einsatzzentrale sprechen, die mit Sicherheit eingerichtet worden war; vordringlich war allerdings sein heftiges Bedürfnis danach, Gewissheit zu erlangen. Fünf Minuten, zehn, fünfzehn. Warum verging die Zeit so verdammt langsam?
Endlich sah er den Arzt
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