Splitterndes Glas - Kriminalroman
haben auf sie eingestochen und sind dann weggerannt, diese feigen Scheißkerle. Haben sie blutend auf dem Pflaster liegen lassen. Zum Glück ging jemand über die Brücke, sah sie da unten liegen, blieb stehen, rief den Notarzt und tat sein Möglichstes, um die Blutung zu stillen. Der Krankenwagen kam innerhalb von sieben Minuten.«
»Irgendeine Idee, wer sie waren? Diese Kerle?«
»Noch zu früh.«
»Mann!«
»Komm schon, Will. Wir kriegen das raus.«
»Du hast von Zeugen gesprochen …«
»Nicht allzu viele bis dato. Es wird welche geben, die den Lärm gehört, aber beschlossen haben, dass sie lieber nichts davon wissen wollen. Außerdem war es dunkel. Ein Taxifahrer hat allerdings zwei Gruppen von Männern gesehen, die auf der anderen Seite von der Brücke kamen oder vielmehr rannten. Eine Gruppe stieg in einen weißen Transporter. Im Moment versuchen die Kollegen, ihm Einzelheiten zu entlocken. Die anderen hat er aus den Augen verloren.«
|213| »Zwei Gruppen, hast du gesagt?«
»Offenbar. Der eine Trupp – vier, glaubt er, könnten aber auch fünf gewesen sein – fuhr in dem Transporter weg. Wir besorgen alles verfügbare Material aus den Überwachungskameras. Es wird eine Weile dauern, aber wenn wir Glück haben, entdecken wir etwas.«
»Und die beiden, die angegriffen wurden?«
»Einer hat das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Vielleicht wird er nie wieder wach, der arme Kerl. Die Beamten sprechen gerade mit dem anderen.« Rastrick sah auf die Uhr. »Sie müssen jeden Augenblick hier sein.«
»Sind sie homosexuell? Die beiden, die überfallen wurden?«
»Wer kann das sagen?« Ein Lächeln huschte über Rastricks Gesicht. »Gab mal ’ne Zeit, als ich jung war, da waren ein Ring im Ohr und so ’n bisschen glitzernder Baumelkram ein todsicheres Zeichen. Ist aber vorbei. Wir müssen abwarten, feststellen, was der Junge zu sagen hat. Aber wenn ich wetten sollte …«
Die beiden Kriminalbeamten kamen innerhalb der nächsten halben Stunde aus dem Krankenhaus zurück. Das Opfer, mit dem sie hatten sprechen können, war ein zweiundzwanzigjähriger Student aus Hongkong, der gegenwärtig im zweiten Jahr Architektur studierte. Sein Begleiter war ein sechsundzwanzigjähriger Student der katholischen Theologie aus Honduras.
Sie hatten mit Freunden in der Stadt etwas getrunken, in einem Pub, der eine große, aber nicht ausschließlich schwule Klientel hatte, und da die Nacht klar und nicht allzu kalt war, beschlossen sie, zum Fluss hinunterzulaufen. Sie waren in Sichtweite der Brücke, als mehrere Männer begannen, sie von der anderen Straßenseite aus zu beschimpfen. Zunächst hatten die Studenten sie ignoriert und nur ihre |214| Schritte beschleunigt, aber dann wurden die Beschimpfungen lauter und gemeiner, bis schließlich ein großer Stein in ihre Richtung geworfen wurde und sie beschlossen, sich aus dem Staub zu machen.
Fünfzig Meter weiter kamen vor ihnen noch weitere Männer aus einem Eingang. Die beiden versuchten, über die Quayside zu flüchten, aber der Architekturstudent rutschte aus und verlor den Halt, sein Freund zögerte, und schon fielen die Männer über sie her, boxten und stießen sie, schrien weitere Beleidigungen, und als die beiden zu Boden gegangen waren, schlugen sie mit Schlägern und Stöcken oder sonstigen Waffen auf sie ein.
Der Student sagte, er sei sicher, dass die Männer sie hatten töten wollen. Sie wären getötet worden, hätte nicht eine Frau eingegriffen, was dazu führte, dass etliche Mitglieder der Gang auch über sie hergefallen seien. Insbesondere ein Mann, sagte der Student, habe sie mit einer Art Schläger, vielleicht einer Baseballkeule, angegriffen und zu Boden gestoßen. Irgendwie war es ihr gelungen, aufzustehen, aber dann hatte ein anderer Mann sie von hinten gepackt und umgedreht. Es sah so aus, als habe er ihr in den Bauch geboxt. An diesem Punkt war der Student seinerseits am Kopf getroffen worden – ein Fußtritt, nimmt er an – und hat für längere Zeit das Bewusstsein verloren, denn als Nächstes erinnert er sich an Krankenwagen und Blaulichter. Man sagte ihm, sein Freund sei ins Krankenhaus gebracht worden. Er erkundigte sich nach der Frau und erfuhr, dass auch sie bereits auf dem Weg dorthin sei.
»Scheißkerle«, sagte Will leise. »Scheißkerle.«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Rastrick und legte eine Hand auf Wills Schulter. »Wir kriegen sie. Wir sorgen dafür, dass sie bestraft werden.«
|215| 19
Lesley überkam eine
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