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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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den Rand seines Glases hinweg an.
    »Jemand hat mal gesagt, dass man besonders den Affären nachtrauert, die man hätte haben können, aber nie hatte. Gelegenheiten, die man nicht ergriffen hat. Die sind es, die dich verfolgen, sagte er, und das ist wahr. ›Zeig mir deine Hände‹, sagte sie, Stella Leonard, und das hätte ich tun können, ich hätte zugreifen und ihre Wange, ihr Haar berühren können. Und dann, wer weiß? Stattdessen saß ich da wie ein Dummkopf, und sie lachte und sagte: ›In Ordnung, ich spiele in deinem Film‹, und ein Jahr später, nicht mal ein Jahr später, bevor wir überhaupt mit dem Drehen anfangen konnten, war sie tot.« Rocca seufzte. »Sie starb bei einem Autounfall, wussten Sie das?«
    Lesley nickte.
    »Ihr Vater war auch im Wagen. Nur die beiden. Stella fuhr. Aus irgendeinem Grund kamen sie von der Straße ab. Keiner von beiden hat überlebt.«
    Er fixierte Lesley mit seinem Blick.
    »Haben Sie ›Splitterndes Glas‹ gesehen? Wissen Sie, wie sie stirbt? Die Frau, die sie in dem Film spielt?«
    »Nein«, sagte Lesley und ein Schaudern durchlief sie.
    |199| »Oh, dann müssen Sie ihn sehen. Aber nicht nur deswegen. Von allem anderen mal abgesehen, ist es ein außergewöhnlicher Film. Weil er zu jener Zeit hier in England gemacht wurde. Und Stella – sie ist wunderbar. Sie spielt zwei Schwestern, wissen Sie. Zwillinge. Die eine ist die gute, geduldige kleine Ehefrau, die zur Kirche geht und alles richtig macht, und die andere – nun, Sie werden ja sehen.«
    »Was ist aus Ihrem Plan geworden, ein Remake zu machen?«, fragte Lesley.
    Rocca schüttelte den Kopf, als hätte er Schmerzen. »Bitte, fragen Sie nicht.«
    »Ich dachte, Natalies Vater hätte sich bereit erklärt, das Geld zu geben?«
    »Wozu Natalies Vater bereit war, ist ein Darlehen auf die Einkünfte aus dem Film. Das ist etwas ganz anderes. Und selbst in diesem Fall verlangt er zu erfahren, wie jeder einzelne Penny ausgegeben wird, bevor wir auch nur an seinem Geld schnuppern dürfen. Unterdessen haben wir ein Drehbuch, wir haben Schauspieler, wir haben eine Crew, und doch haben wir gar nichts.« Rocca kostete einen Seufzer aus. »Wenn er uns vom Filmen abhalten wollte, hätte er es nicht besser machen können.«
    Er trank sein Glas aus. »Noch ein bisschen?«
    »Danke, nein.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher.«
    Rocca lächelte. In seinen Augen lag Fröhlichkeit. »Sie sollten sich daran erinnern, was ich über verpasste Gelegenheiten gesagt habe.«
    »Und ist das so eine?«
    Rocca zuckte leichthin die Achseln, und Lesley schüttelte den Kopf. »Natalie sagt, dass Sie einen Kameramann kennen, der bei ›Splitterndes Glas‹ mitgearbeitet hat.«
    |200| »Gordon Hedden, ja.«
    »Wenn Sie seine Nummer haben, würde ich mich gerne mit ihm in Verbindung setzen.«
    »Natürlich.«
    Einen Augenblick lang fragte sich Lesley, ob sie einen weiteren Annäherungsversuch würde zurückweisen müssen, aber Rocca hievte sich aus dem Sofa und kehrte einige Minuten später mit einem ramponiert aussehenden Filofax und einem silbernen Stift zurück. »Hier ist es. Am Meer. Broadstairs. Nicht die beste Jahreszeit für einen Besuch an der englischen Küste, aber was soll’s.« Er überreichte Lesley das Stück Papier, auf das er die Einzelheiten geschrieben hatte. »Bitte, grüßen Sie Gordon von mir.«
    Die Musik seiner Tochter flutete immer noch über die Treppe nach unten. Posaune. Orgel. Eine Frauenstimme. Der Ausbruch einer schrillen, fast psychedelischen Gitarre, als wäre Jimi Hendrix nicht gestorben, sondern nach Brasilien ausgewandert.

18
    Es gab einen Song von Springsteen, den Will oft gehört hatte, damals, als er noch Springsteen hörte. Als er noch ernsthaft irgendwelche Musik gehört hatte.
    ›One Step Up‹.
    Einen Schritt vor und zwei zurück.
    Will hatte die Erfahrung gemacht, dass Ermittlungen auf eine ganz bestimmte Weise Fortschritte machten, wenn Fortschritt überhaupt das richtige Wort war: wie ein langsam tropfender Wasserhahn. Gelegentlich, wenn auch selten, bekamen sie Starthilfe durch einen plötzlichen, völlig unvermuteten Hinweis, eine spontane Eingebung, eine |201| Erkenntnis aus heiterem Himmel; manchmal stellte sich bedauerlicherweise auch heraus, dass ihnen der Weg nach vorn die ganze Zeit über ins Gesicht gestarrt hatte; aber meistens wurden etwaige Fortschritte durch einen mühsamen Prozess des Sammelns von Informationen, durch Überprüfung und nochmalige Überprüfung, durch langweilige Routine erzielt

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