Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
übernommen von dem Film ›Engelsgesicht‹, wie Hedden Lesley erzählte – kommt Philip, der Rubys Verführungskünsten erlegen ist, doch noch zur Vernunft, nachdem eine verzweifelte Alma ihn zur Rede gestellt hat. Er geht zu Ruby, um ihr zu sagen, dass ihre Affäre vorbei ist und dass er Alma heiraten wird. Ruby setzt ihr schönstes Heuchelgesicht auf, tut so, als verstünde sie ihn, als freute sie sich sogar, und sagt, sie würde Philip dorthin fahren, wo Alma auf ihn wartet. Einmal am Steuer fährt sie jedoch schneller und immer schneller und schließlich lenkt sie den Wagen vom Rand der Klippe. Sie stürzen ins Meer und ertrinken beide.
    Das letzte Bild ist eine Nahaufnahme von Alma mit einem schwarzen Schleier vor dem Gesicht bei der Beerdigung ihres Verlobten und ihrer Schwester, die Seite an Seite begraben werden.
    »Nicht gerade das, was man ein Happy End nennen würde«, sagte Lesley.
    Hedden griff nach oben und stellte den Projektor aus, damit die letzten Zelluloidbilder nicht mehr im Kreis flatterten. Lesley zog die Vorhänge auf und ließ das natürliche Licht wieder in den Raum hinein.
    »Nun«, sagte Hedden, »wie hat es Ihnen gefallen?«
    »Ich mochte den Film. Besonders die Kameraführung. Und das sage ich nicht nur, weil Sie hier sind. Die Bilder hatten wirklich Atmosphäre.«
    »Ach, das ist viel mehr auf Jack, den Bildregisseur, zurückzuführen |221| als auf mich. Ich habe einfach nur die Kamera in die Düsternis gehalten und aufs Beste gehofft.«
    »Ich bin mir ganz sicher, dass das nicht stimmt. Aber das hat mir jedenfalls gefallen. Und Stella natürlich. Sie ist großartig, nicht wahr?«
    »Sie war sehr gut«, stimmte Hedden zu.
    »Zuerst ist sie dieses nette junge Mädchen, die kein Wässerchen trüben kann, und eine Minute später verwandelt sie sich in ein – ich weiß nicht, wie würden Sie es nennen? Leichtes Mädchen? Femme fatale? Schlampe würden wir vermutlich heute sagen. Nur dass sie auch noch böse ist. Und sexy, mein Gott! Erotik pur.«
    »Genau«, sagte Hedden. »Und Sie müssen bedenken, dass wir das Britannien der Fünfzigerjahre haben, wo alles doppelt zugeknöpft war.«
    »Wissen Sie, welche Szene mich umgehauen hat?«, sagte Lesley. »Als Alma vor dem Spiegel an ihrem Toilettentisch sitzt, sich ein wenig Puder aufs Gesicht tupft und kämmt, dann steht sie auf, dreht sich um und steht plötzlich Ruby gegenüber, und es ist, als würde sie immer noch in einen Spiegel schauen, nur dass Ruby stark geschminkt ist, die ganze Trickkiste, und obwohl es schwarzweiß ist, merkt man, wie rot ihr Lippenstift ist. Wirklich außergewöhnlich.«
    Hedden lächelte fast entschuldigend. »Das haben wir auch geklaut. Aus ›Die Schwarze Narzisse‹. Powell und Pressburger. Nur dass dort die Reihenfolge anders ist. Michael Powells Film spielt in einem Konvent unter Nonnen, und Deborah Kerr überrascht Kathleen Byron dabei, wie sie sich heimlich schminkt. Aber so ist das, nichts ist neu.« Er sah zur Uhr auf dem Kaminsims. »Ich muss eine Tablette nehmen. Drei, um genau zu sein. Dann können wir vielleicht noch eine Tasse Tee trinken. Und über Stella reden.« |222| Inzwischen begann das Licht draußen zu schwinden. Heddens Hand zitterte merklich weniger, als er die Teekanne hochhob, wie Lesley feststellte. Es gab ein Stück Lancashire-Käse als Beilage zum Kuchen.
    »Welcher von den beiden glich sie im wirklichen Leben mehr?«, fragte Lesley. »Stella, meine ich. Der guten Schwester oder der bösen?«
    Hedden antwortete nicht sofort. »Das ist schwer zu sagen. Wenn man dreht, ist es ein wenig wie in den Ferien. Nur dass man zwölf, dreizehn Stunden pro Tag arbeitet. Ich meine, man ist mit Leuten zusammen, die man größtenteils nicht kennt, und plötzlich ist man die ganze Zeit über in ihrer Gesellschaft. Man könnte denken, das ist eine Möglichkeit, jemanden wirklich gut kennenzulernen, was durchaus sein kann, aber die Menschen – besonders Stars, und Stella war ein Star – verhalten sich in solchen Situationen oft nicht natürlich.« Er schüttelte den Kopf. »Ich gehe auf Nummer sicher, oder?«
    »Das ist doch in Ordnung.«
    »Wenn ich mich für das eine oder das andere entscheiden müsste, würde ich sagen, sie war beides. Ich weiß, das klingt, als würde ich mich vor der Antwort drücken, aber ich glaube, dass es stimmt. Die eine trug die andere in sich: Die böse Stella versteckte sich in der guten. Man lernte sie kennen und sie war sehr höflich und korrekt – sie hatte

Weitere Kostenlose Bücher