Splitternest
rennt nur in Euer Unglück … das habt Ihr schon immer gern getan … weil Ihr hirnlos seid … und dumm.«
Aelarian strich ihm zärtlich über die Wange. »Vergeude deinen Atem nicht für Schmähungen, Liebster. Gib auf die Kieselfresser acht, falls ich nicht zurückkehre.«
Ohne ein weiteres Wort eilte er zur Treppe. Hurtig nahm er die ersten Stufen. Seine Finger umklammerten das Führungsseil neben dem Aufstieg. Die Silberkette baumelte an seinem Handgelenk und schabte gegen die Salzkruste des Taus.
»Steh mir bei, Mondschlund«, wisperte er, »ein letztes Mal mit all deinen magischen Künsten.«
Er schloss die Augen, rief sich die Schutzzauber des Blenders in Erinnerung, schottete seinen Geist von der Sphäre ab, die längst vom Fluch der Bathaquar durchdrungen war. Dann tauchte er ein in den Hauch von Nekon und eilte die Treppe empor, Stufe für Stufe seinem Schüler Uliman entgegen.
Sieh seine Herrlichkeit, sieh Tathrils Größe … lerne Tathrils Macht kennen, glückliches Kind, schmecke sie, nimm sie in dir auf …
Magro Farghs Stimme. Nhordukael glaubte sie zu hören, die heisere Stimme des einstigen Hohepriesters von Thax, seines Lehrers und Folterers. Er glaubte gar, kurz Farghs Gesicht in der Sphäre aufflackern zu sehen, zerfressen von der Blaufäule, der Hals durchschnitten von Nhordukaels Klinge, die Augen blutunterlaufen.
Tathrils Macht ist die Magie, nun lerne sie in seinem Namen zu nutzen … Wenn du dich wehrst, wird Tathril dich vom Angesicht der Erde tilgen …
Aber Nhordukael hatte sich gewehrt; spät zwar, nach langen Qualen und einer freudlosen Kindheit, ohne Erinnerung an eine Zeit, die nicht von der Kirche bestimmt worden war. Er hatte sich von Tathril losgerissen und hinter die Dinge gesehen … in die Sphäre mit ihren magischen Strömen, die alles durchflossen. Tathrils Macht war die Magie und Tathril die Sphäre selbst; ein Gott ohne Gesicht, ohne Liebe für jene, die an ihn glaubten; ein von Sternengänger ersonnener Name, der die Menschen daran hinderte, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. All dies hatte er durchschaut, und auf seinen Wanderungen durch die Sphäre war er selbst so mächtig geworden, dass ihn Tathril nicht länger schrecken konnte. Nhordukael hatte erkannt, wie eng die Welt mit der Sphäre verknüpft war, wie sehr die Menschen von der Willkür der Zauberer abhingen. Er hatte begriffen, dass es nur einen Weg gab, sich diesem Irrsinn zu entziehen.
»Frieden«, flüsterte er. »Gharax den Nebelkindern, das Verlies aber den Menschen. Wir müssen die Sphäre hinter uns lassen.«
Das Bild des Hohepriesters erlosch. Es war nur ein Nachhall seiner Erinnerung gewesen, vergangen, vergessen. Statt dessen tobte um ihn ein Meer aus Farben; diamantenes Funkeln, rubinrotes Glühen, tiefblaue Strudel und Weiß, strahlendes Weiß.
Die Sphäre …
»Siehst du ihre Schönheit, Nhordukael?«
Laghanos’ Stimme rief nach ihm. Dort schwebte das Kind … Sternengänger, Durta Slargin, der Weltenwanderer, der Verführer und Lügner mit seinen vielen Namen. Sein Mund war rosig, sein Lächeln zart; das Gesicht war beherrscht von der Maske, und mehr noch – die ganze Sphäre war ihr Untertan. Glimmende Goldfäden strebten von seinem Gesicht in alle Richtungen, umspielten die magischen Ströme, umspannten die Welt. Die Maske war die Sphäre, sie war Tathril, und ihre Macht blendete Nhordukael.
»Die Sphäre ist nun vollkommen … nun, da alle Quellen befreit und die Nebelkinder zurückgekehrt sind.« Sternengänger sprach sanft. Um ihn schwebten die Silberklauen; das Heer der Beschlagenen. »Es war meine Schuld, dass die Sphärenwesen starben. Ich fesselte die Quellen, ich beschwor ihren Untergang herauf. Aber ich habe es wiedergutgemacht. Ich rettete die Nebelkinder und sühnte schwer für meine Fehler.«
Nhordukael runzelte die Stirn. »Nicht du, Sternengänger – die Menschen waren es, die bezahlen mussten, und der Junge, dessen Körper du gestohlen hast. Sie alle leiden unter deinem Fluch.«
»Willst du den wahren Fluch erblicken? Sieh nur, dort unten … erkennst du das Funkeln, das aus der Tiefe empordringt? Es ist das Verlies der Schriften, Mondschlunds Gefängnis – ein neues Athyr’Tyran. Ich habe versucht, es zu verhindern, mit all meiner Macht.« Wütend deutete das Kind auf Nhordukael. »Bist du stolz darauf, Mondschlund zum Schweigen gebracht zu haben? Er mag tot sein, sein Geist gebannt – aber durch dich hat er trotzdem erreicht, was er wollte. Die Stadt
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