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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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wagte. Aber Euer Vater starb, bevor er sich zu einer Entscheidung durchringen konnte. Er fiel im Krieg gegen Arphat.« Er rückte noch näher an Akendor heran. »Ich hielt seine Hand, als er den letzten Atemzug tat … durchbohrt von einem Pfeil, das Gift der Anub-Ejan im Blut. Damals versprach ich ihm, Euch zu beschützen. Er rang mir dieses Versprechen ab, weil er fürchtete, dass der Silberne Kreis Euch aus dem Weg räumen würde. All die Jahre lang habe ich mich vor Euch gestellt, Akendor, Euch vor den Fürsten und Eurer eigenen Dummheit bewahrt. Die Ahnen haben mich gewarnt! Sie wisperten von einem Zwist unter den Fürsten, von dem drohenden Verrat der Geneder.
    Der Luchs von Ganata schärfte die Krallen, ein zweites Mal … ich tat alles, um Euch auf dem Thron zu halten. Deshalb verlegte ich den Thronrat nach Thax, um Euch vor dem Einfluss dieser düsteren Stadt zu schützen. Deshalb sorgte ich für Einheit im Thronrat und zwang die anderen Fürsten, sich in alles zu fügen. Deshalb rettete ich Euch aus der Zelle in Thax, als man Euch hinrichten wollte, für den Mord an Tundias Tochter. All dies tat ich für Torsunt, für ihn allein!«
    Akendors Augen bekamen einen fiebrigen Glanz. »Für ihn … meinen Vater. Musste deshalb auch Syllana sterben? Hätte er dies gewollt? Habt Ihr deshalb die Hunde auf sie gehetzt?«
    Binhipar gab keine Antwort. Die Sehnen an seinem Hals spannten sich, und die rote Narbe wurde auseinander gezogen, als wolle sie aufplatzen.
    »Sie war doch unschuldig!« Akendor hieb mit der Faust gegen Binhipars Brustkorb, aber nur schwach, ein verzweifelter Schlag, den der Fürst kaum spürte. »Warum musste sie für meine Fehler bezahlen? Sie hat mich nur geliebt und mir einen Sohn geschenkt …«
    »Vielleicht war sie der Grund, warum Uliman wurde, was er ist.« Binhipars Stimme klang dumpf. »Der Sohn eines Schwächlings, ausgetragen von der Tochter eines Goldschmieds … sein Blut ist verdorben. Er trägt nicht das Erbe der Gründer in sich.«
    »Antwortet mir«, flehte Akendor. »Sagt mir die Wahrheit, Binhipar, nur dieses eine Mal. Warum musste sie sterben? Was hat sie getan? Was habe ich getan?« Er hielt beide Hände vor das Gesicht.
    Binhipar packte ihn an den Schultern. »Die Ahnen sagen, dass ein Kaiser über Sithar herrschen muss. Dieser Kaiser, der wahre Kaiser, seid Ihr, Akendor, seid es immer gewesen. Ich hätte niemals auf Scorutars Vorschlag eingehen dürfen, Euch durch Uliman zu ersetzen. Der Kaiser in Vara muss ein Nachfahre der Gründer sein, sein Blut unverwässert … er muss über Sithar herrschen. So wollen es die Ahnen.«
    »So wollen es die Ahnen«, wiederholte Akendor. »Aber was wollen wir, die wir leben? Warum muss es einen Kaiser geben, der über andere herrscht? Warum soll einer wie ich, der inneren Frieden sucht, sein Leben lang herrschen … wo ist der Sinn, Binhipar? Warum rufen diese Menschen nach mir, statt ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen?«
    Eine Veränderung zeichnete sich auf Binhipars Gesicht ab. Die Wut wich einem Ausdruck tiefer Ratlosigkeit. »Wir alle … haben unseren Platz«, murmelte er. »Wir haben uns die Welt unterworfen. Dieser Ordnung müssen auch wir uns fügen. Tun wir es nicht, gehen wir zugrunde. Dann siegen die, die all das umstürzen wollen, woran wir glauben.« Seine Schultern sanken herab wie die eines Verurteilten.
    Akendor blickte den Fürsten erstaunt an. Es war, als sähe er Binhipar zum ersten Mal. »Es wäre nicht schade um diese Ordnung, und es wäre nicht schade um diese Welt. Herrsche!, sagt man uns, und wir müssen auf dem Thron Platz nehmen. Kämpfe!, sagt man uns, und wir müssen das Schwert ergreifen. Stirb!, sagt man uns, und wir sinken zu Boden, als wären wir Schatten auf einem Leintuch, hinter dem die Kerze erlischt. So hat der Mann aus den Schatten es mir zugewispert, als Ihr mich in Nandar gefangen hieltet. Ich wollte ihm in die Dunkelheit folgen, aber Ihr habt mich nicht gehen lassen.« Er ergriff Binhipars Hand. »Ihr sagt, unsere Fürstenketten seien zersprungen, Uliman habe sie zerstört. Aber das ist nicht wahr! Wir tragen sie noch immer. Sie schnüren uns die Hälse zu, lassen uns keine Luft zum Atmen. Man hat uns zu Herrschern erhoben, damit wir dieses Kaiserreich anführen, eine Ordnung aufrechterhalten, die uns alle entmündigt, vom Kaiser bis zum niedersten Knecht. Nun bricht alles zusammen … und wir klammern uns noch immer an das Erbe der Gründer. Warum lassen wir nicht los? Warum gehen wir

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