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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Torsunt ließ mich zu sich kommen, hörte sich an, was ich zu sagen hatte; und mir war es gleich, was er mit mir zu tun gedachte, hatte ich doch so viele seiner Schiffe versenkt, so viele Sitharer auf dem Gewissen. Aber er wollte keine Rache. Er sprach zu mir: ›Du hast es getan, weil du an etwas geglaubt hast, weil du den Ratsleuten treu bleiben wolltest. Nicht du bist der Schurke, sondern jene, die jeden Schwur brechen.‹« Stolz warf der Troublinier die roten Haare zurück. »Euer Vater war ein großer Mann. Er glaubte an das, was er verkörperte, an Sithar und an die Treue seiner Gefolgsleute. In meinem Land glaubt man nur an die Gier, und Treue erkauft man sich mit Münzen. Deshalb gab ich mein Leben in Torsunts Hände … nein, mehr noch: Als ich ihm meine Treue anbot, begann mein Leben erst. Sein Vertrauen war das Kostbarste, das ich je bekam. Ich werde es nie missbrauchen, und deshalb werde ich Euch beschützen, Akendor. Ihm zu Ehren.«
    Akendor blickte erschrocken auf seinen Leibwächter. »Ihm zu Ehren … ach, Garalac, dann hast du dein Leben wahrlich verschenkt. Du kanntest ihn nicht … nicht so, wie ich ihn kannte. Nicht seine Kälte.«
    Binhipar Nihirdi wurde ungehalten. »Torsunt kämpfte sein Leben lang darum, das Kaiserreich zusammenzuhalten! Ihr aber denkt nur an Euch und stellt Euer Wohl über alles. Seine Werte sind so viel bedeutender als Ihr! Denn sie sind das Erbe der Gründer, das Erbe unserer Ahnen. Wir müssen sie verteidigen, gegen die Goldéi, die bald vor den Toren stehen, gegen die Schatten, die uns Nacht für Nacht heimsuchen, gegen alle, die diese Welt zugrunde richten! Und Ihr als unser Kaiser müsst Eure Rolle spielen … Ihr müsst es!« Er wandte sich wieder an Garalac. »Schleife ihn zu den Menschen herunter. Er soll sich ihnen zeigen. Sie sollen sehen, dass der Kaiser ihnen beisteht, bis zur letzten Stunde. Und sorge dafür, dass er keinen Unsinn quatscht.«
    Garalac verzog keine Miene. »Ich werde es tun. Aber nicht für Euch, Binhipar, sondern für Torsunt. Ihm allein gilt meine Treue. Wenn Ihr Akendor nur ein Haar krümmt, bereut Ihr es.«
    Binhipar gab den Klippenrittern ein Zeichen. Sie traten vor und packten Akendors Schultern. Dieser blickte verstört zum Turmfenster, lauschte den Gesängen, die wieder eingesetzt hatten.
    »Mich ihnen zeigen? Sie wollen mich doch gar nicht sehen … was sie wollen, ist ein Kaiser, wie ihn die Ahnen sich wünschen, oder Ihr, Binhipar … aber nicht mich, einen schwächlichen Kindsmörder, einen traurigen, einsamen Mann!« Er schluchzte.
    »Reißt Euch zusammen«, knurrte Binhipar. »Denkt an die Hunde.«
    Akendor richtete sich ruckartig auf. Dann schritt er zur Saaltür, geführt von den Rittern. Garalac folgte ihnen. Beide würdigten Binhipar keines Blickes mehr.
    Der Fürst wartete, bis ihre Schritte auf der Treppe verklungen waren. Dann starrte er selbst aus dem Turmfenster.
    »Du kannst ihm nicht trauen.« Darna Nihirdi trat an die Seite ihres Mannes. »Er ist verwirrt und unberechenbar. Noch fügt er sich allem, was du sagst, aber irgendwann bricht der Wahn aus Akendor hervor … wie damals, als er das Kind von Tundia Suant in seinen Armen erstickte.«
    »Denkst du, das weiß ich nicht?« Binhipar strich die Zöpfe seines Barts glatt. »Akendor ist von allen guten Geistern verlassen. Aber das Volk braucht einen Kaiser; einen, der die alte Ordnung aufrechterhält.«
    Darna Nihirdi stellte die Laterne auf einem nahen Tisch ab. »Warum sollten sich die Menschen ausgerechnet hinter ihm versammeln? Sie hatten ihn schon vergessen, und man sieht ihm an, dass er kein Reich führen kann.«
    »Dennoch verkörpert er das Erbe der Gründer. Alles andere wird sich fügen, wenn ich erst unsere Feinde zerquetscht habe.« Binhipar ballte die Faust. »Baniter Geneder … er lebt, ich weiß es, und ich weiß auch, dass es eine Verbindung zwischen ihm und den Schattenwesen gibt. Um uns herrscht der Irrsinn, Darna … gläserne Türme, die aus dem Boden hervorwuchern, eine Stadt, deren Tore und Mauern verschwinden und die kaum zu kontrollieren ist! Es riecht nach Zauberei und Verrat, so wie die Ahnen es immer gesagt haben. Ich wünschte nur, meine Kette wäre nicht zersprungen … dann könnte ich sie um Rat fragen. Doch ich bin auf mich allein gestellt. Ich muss Sithar zusammenhalten, so wie Torsunt es getan hätte.«
    »Und wenn Uliman zurückkehrt?« fragte Darna. »Es heißt, dass er im Palast verschüttet wurde, als die Schatten über ihn

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