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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Kleider hatten Feuer gefangen. Er löschte sie panisch mit der Hand. »Ich musste es tun! Um Vara zu retten. Vor dem Untergang! Vor der Zerstörung! Ich tat es nicht für mich. Nicht für Mondschlund. Für Vara allein!« Der lederne Hut flog ihm vom Haupt und kullerte auf die Treppe. Dort ging er in Flammen auf. »Wer weiß, eines Tages können wir Menschen Mondschlunds Herrschaft vielleicht abschütteln. Und frei sein. Aber bis dahin müssen wir ihm dienen. Ihm oder Sternengänger. Wir haben die Wahl. Auch du, Nhordukael. Am Ende musst du dich für einen entscheiden.«
    Nhordukael wandte sich ab. »Ich habe mich für den dritten Weg entschieden … die Menschen von den Tyrannen zu befreien.« Was er erlitten hatte, sollte kein anderer erleiden. Wenn sein Leben, seine Qualen und sein Hass auf die Tathril-Kirche einen Sinn haben sollten, musste er, der mehr Macht über die Sphäre besaß als je ein Mann zuvor, diesem Spuk ein Ende bereiten.
    Er betrachtete Baniter Geneder. Der Mund des Gefangenen bewegte sich noch immer und setzte das ewige Gemurmel fort. Ich muss ihn dort herausholen! Es muss einen Weggeben, ihn zu retten.
    Noch während er darüber nachsann, drang Stimmengewirr zu ihm empor. Nhordukael blickte auf den Platz vor den gläsernen Türmen. Eine Straße mündete in ihn; dort schob sich ein Pulk von Menschen voran, die eine Sänfte trugen … nein, keine Menschen: Es waren die Geister des Verlieses mit ihren goldenen Augen, der Welt entrückt, weder tot noch lebendig.
    Sie versammelten sich vor der glühenden Treppe und setzten die Sänfte ab. Auf dieser ruhte ein goldener Thron, und auf ihm kauerte eine Gestalt, auch sie aus gleißendem Gold.
    »Was in aller Welt ist das?« entfuhr es Nhordukael.
    Sardresh kicherte. »Geh doch hinab. Sieh nach, Nhordukael. Triff deine Entscheidung. So wie jeder von uns.«
    Ohne ihn länger zu beachten, schritt Nhordukael die Treppe hinunter. Flammen jagten ihm voraus. Die Geister wichen vor ihnen zurück. Nur einer, der der Treppe zu nahe gekommen war, wurde von dem Feuer erfasst. Er brach zu Boden. Seine goldenen Augen platzten auf und schmolzen. Schon schleiften andere Geister ihn fort; doch Nhordukael sah, wie sich der leblose Körper wellte und in Rauchfetzen zerfiel.
    Die Gestalt auf der Sänfte war kein Mensch, sondern ein Harnisch aus gehämmertem Gold, ein Metallpanzer, dessen Glieder durch Nieten zusammengehalten wurden. Auf die Brustplatte waren verschlungene Zeichen eingeätzt; auch sie kamen Nhordukael vertraut vor.
    »MONDSCHLUND GRÜSST DICH, NHORDUKAEL … ER GRÜSST SEIN VERLORENES KIND.«
    Einer der Geister trat vor. Seine Glieder verrenkten sich bei jedem Schritt mit hässlichem Knirschen. Die Augen funkelten im Mondlicht. Es war das Geisterwesen Glam, dem er schon einmal begegnet war.
    »Glam«, sagte Nhordukael mit ruhiger Stimme. »Unsere Wege kreuzen sich recht häufig hier im Verlies. Was führt dich diesmal zu mir? Bist du auf der Suche nach deiner Herrin? Nach dem Stab, mit dem sie sich Zutritt zu dem Verlies verschaffte? Oder nach dem Kelch, den ich aus dem Dom stibitzte?« Er richtete sich stolz auf. »Du kommst zu spät. Sai’Kanee ist tot, der Stab zerbrochen, der Kelch geschmolzen. Und welche Worte Mondschlund dir auch aufgetragen hat – ich will sie nicht hören!«
    Glam hielt sicheren Abstand zur glühenden Treppe, »so VIEL ZORN … SO VIEL TRAUER IN DIR, NHORDUKAEL. DU HAST VIEL GELITTEN UND BIST DOCH WEIT GEKOMMEN. NUR WENIGE HABEN DAS INNERE DES VERLIESES ERKUNDET: VARYN UND GLAM, SAl’KANEE UND BARS BALICOR, BANITER GENEDER UND SEIN VERRÄTERISCHER GROSSVATER. DU ABER BIST VON IHNEN ALLEN DER MÄCHTIGSTE. DER WICHTIGSTE.«
    Die anderen Geister stimmten ein Lied an. Es berührte Nhordukael und erinnerte ihn an Mondschlunds Gesänge. Er ist hier! Jedes Wort, das Glam an mich richtet, singt ihm Mondschlund ins Ohr!
    »Der Mächtigste und Wichtigste«, wiederholte er Glams Worte. »Ja, denn dazu hast du mich gemacht. Aber dass ich einen anderen Weg einschlug als dieser arme Junge, den Sternengänger erwählte – damit hast du nicht gerechnet.«
    Der Geist hob abwehrend die Hände, »NOCH IMMER MISSTRAUST DU MIR … ARMER NHORDUKAEL. SO VIELE QUALEN, SO GROSSE EINSAMKEIT …«
    »Spar dir dein Mitleid. Ich weiß, warum du gekommen bist. Du willst mich wieder auf deine Seite ziehen. Deine Stadt ist erwacht, und mit Baniter Geneder hast du einen Mann zum Herrscher erhoben, der deinen Ruhm in das kommende Zeitalter tragen soll. Aber all

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