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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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aus können sie auch sterben.«
    Banja zog sie vom Ufer fort. »Du sollst so etwas nicht sagen! Was ist, wenn sie dich hören? Orusit hat uns eingebläut, dass wir sie auf keinen Fall reizen dürfen, sonst tun sie uns etwas an.«
    »Ich sage ja gar nichts, wenn sie in der Nähe sind«, schmollte Marisa. »Aber hier ist niemand, nur du und ich und der Krebs.«
    »Man kann nie wissen«, belehrte sie Banja, ganz im Tonfall der großen Schwester. »Troublinier sind schlau. Vielleicht tun sie so, als ob sie uns nicht hören.« Sie sah misstrauisch zu den Gildenkriegern hinüber. »Sinsala sagt, dass ihre Priester Schlimmes mit uns vorhaben. Im Tempel werden Menschen gequält und geschlagen. Die Priester sind böse! Ich mag nicht daran denken, was geschieht, wenn erst die Goldéi hier sind.«
    Marisa blickte sie erschrocken an. »Aber die Goldéi kommen doch nicht! Der Prior hat versprochen, dass Tathril uns beschützt.«
    »Und daran glaubst du?« Banjas Tonfall klang herablassend. »Alle Priester lügen. Das hat schon Vater gesagt.«
    Marisa zupfte an ihren Wollstrümpfen und zog sie bis zu den Knien hoch. Sie hatte keine Lust, mit Banja zu streiten, und fühlte sich ungerecht behandelt. Schließlich war sie fast sieben Jahre alt, kein Kleinkind mehr, und Banja gerade mal vier Jahre älter.
    »Vater hat nie viel von der Tathril-Kirche gehalten«, belehrte sie Banja. »Er hat immer an den Tempel gespendet, wie alle Fürsten, aber dem Prior Levaste traute er nicht über den Weg. Einmal sagte er zu mir, dass Levaste jede Gelegenheit nutzen wird, um über Ganata zu bestimmen. Und so ist es gekommen … er und die anderen Priester bestimmen jetzt über uns. Wir dürfen nicht einmal spielen, wann und wo wir wollen. Ach, ich wünschte, Vater würde zurückkehren und ihn zurechtweisen.«
    »Ja … er soll zurückkommen. Und Mama auch.« Jetzt stiegen Marisa Tränen in die Augen. Sie versuchte sie schnell fortzuwischen. Zu spät; Banja hatte es bemerkt, zog ihre Schwester zu sich und fuhr ihr mit der Hand über das Gesicht.
    »Jetzt flennst du ja doch.« Sie seufzte. »Sie kommen schon zurück. Sinsala hat es versprochen, und sie muss es doch wissen. Jetzt reiß dich aber zusammen. Lass uns zu Orusit gehen, ja? Kein Wort zu den Troubliniern!«
    Marisa schluckte tapfer die Tränen hinunter. Sie nahm Banjas Hand, und gemeinsam rannten die Schwestern am Fluss entlang.
    Orusit Geneder kam ihnen ein Stück entgegengehumpelt. Er konnte nur in kleinen Schritten laufen; seine Knie bogen sich, sobald er die Fersen aufsetzte. Als er in Banjas Alter gewesen war, hatte er einen schweren Sturz erlitten. Die Knie waren nie wieder richtig verheilt. Einmal hatte Marisa ihn gefragt, ob sie ihm denn sehr weh täten, und Orusit hatte geantwortet: »Bei jedem Schritt.« Das hatte sie traurig gemacht. Der Onkel kam selten mit ihnen zum Fluss; er verließ die Burg eigentlich nie. Heute aber hatte er die Mädchen begleitet. Er wollte nicht, dass sie mit den Troubliniern allein waren.
    »Rennt mich nicht um, Herzchen.« Orusit fing Marisa auf, die sich ihm in die Arme warf. Er grinste sie an. In seinem Mund fehlten mehrere Zähne. »Habt ihr etwas Schönes gefunden am Dumer?«
    »Einen Krebs«, schnatterte Marisa aufgeregt. »Er wollte mich kneifen, aber ich war schneller.«
    »Sie lügt.« Banja hatte zu ihnen aufgeschlossen. »Sie hat ihn mit einem Stock gepiesackt.«
    »Das solltest du nicht, Marisa.« Orusit setzte seine Großnichte auf dem Boden ab. »Man muss mit einem Lebewesen würdevoll umgehen. So ist es hierzulande üblich … außer in gewissen Tempeln.«
    Er sprach so laut, dass die Troublinier ihn hören konnten. Sie waren zu viert; Gildenkrieger aus Taruba, bewaffnet mit Schwertern. Ihre Aufgabe war es, Orusit und die Mädchen im Auge zu behalten. Der Prior Levaste wollte sie am Abend wohlbehalten – und vollzählig – in der Burg verwahrt wissen.
    »Da sind ja die Luchswelpen«, lachte der Anführer. »Genug gespielt? Dann können wir wohl umkehren. Es soll heute Abend gebackenes Lamm geben, habe ich mir vom Koch sagen lassen.«
    Orusit wurde zornig. »Wir sind kaum eine halbe Stunde hier! Ihr könnt die Mädchen nicht den ganzen Tag hinter Schloss und Riegel halten.«
    »Besser wäre es. Euch Genedern kann man nicht trauen.« Der Troublinier streckte die Hand aus, um Banja zu streicheln, aber sie wich zornig zurück. Ihre grünen Augen blitzten.
    »Da sehen wir es«, schmunzelte der Gildenkrieger. »Aufsässig und ungezähmt. Wenn ich

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