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Splitterseelen

Splitterseelen

Titel: Splitterseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Busch , Sandra Gernt
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fallen.
     
     
     
     

„Wo sind wir hier?“, fragte Nirta im Flüsterton. Sie war Andina willig in den Spiegel gefolgt, im Vertrauen darauf, dass ihre Cousine zu neugierig auf das war, was sie zu sagen hatte, um sie einfach umzubringen. Es war stockdunkel um sie herum, bis Andina ein magisches Licht entzündete. Viel gab es trotzdem nicht zu sehen – sie befanden sich in einem winzigen Raum, der außer dunkelblau gestrichenen Wänden und einem staubigen Teppichboden nichts zu bieten hatte. Fenster gab es nicht, die Tür war zugemauert worden. Lediglich an einer Wand hing ein großer Spiegel, durch den sie hergekommen waren. Andina hatte ihn mit einem Tuch verdeckt, es verhinderte, dass ihnen jemand folgen würde.
    „An diesem Ort habe ich jahrelang mit meiner Mutter gelebt“, erwiderte Andina. „Der einzige, an dem mein Vater uns niemals aufgestöbert hat, trotz der eifrigen Sucher. Also, was willst du mir erzählen?“
    Nirta setzte sich im Schneidersitz auf den Boden nieder. Ihr war schwindelig, wie stets, wenn sie Udeah verließ. Auf der Erde fühlte sie sich stets unwohl, hier funktionierte ihre Magie nicht. Das würde sie wohl oder übel ertragen müssen.
    „Es geht um das, was in Udeah falsch läuft“, begann sie. „ Patriarch nennt sich mein Vater, Tyrann wäre richtiger. Dir ist es vermutlich bewusster als fast allen anderen, dass unser Volk in völliger Unterdrückung lebt. Fünftausend Marionetten, die von Geburt an zu gehorsamen Killern erzogen werden. Dazu fünftausend menschgeborene Dämonen, die man mit Treibjagden auf wehrlose Menschen beschäftigt und vor allem friedlich hält. Wir sind Magier, sobald wir jene töten, die wir von Kleinkind an beschützten. Und was machen wir mit unserer Magie? Abgesehen davon, dass wir unsere Ressourcen von der Erde stehlen, tun wir nicht allzu viel, oder? Wir erschaffen keine eigene Kultur, haben keine Kunst, keine Musik. Keine Erfindungen, keine selbständige Leistung. Die Magie, die wir an uns reißen, nutzt uns nichts.“
    „Sie fühlt sich aber mächtig gut an“, erwiderte Andina unbewegt. „Vergiss die Duelle nicht, Nirta, die sind unterhaltsam.“
    Ja, alle paar Tage duellierten sich zwei Magier öffentlich. Erlaubt war fast alles, was den Gegner nicht tötete. In der Arena sorgte eine undurchdringliche magische Kuppel dafür, dass die Zuschauer nicht verletzt wurden, wenn Naturgewalten aufeinanderprallten oder alle denkbaren anderen Tricks aufgewandt wurden, die ein ordentliches Spektakel boten. Nirta hatte diese Duelle als Jugendliche geliebt, zumal die Kontrahenten stets freiwillig antraten. Es galt als Ehre, dafür ausgewählt zu werden und fast alle Erwachsenen trainierten, um es wenigstens einmal zu schaffen. Mittlerweile empfand sie es als sinnlose Vergeudung.
    „Wir dürfen nahezu unbegrenzt auf der Erde herumstreifen und dort tun, was wir wollen, sofern wir uns nicht enttarnen, Morde begehen oder zu stark in das Leben anderer einmischen. Was wir ja gar nicht können, da die Magie kaum wirkt.“ Andina nahm ihren onyxfarbenen Seelenstein in die Hand. Mit ihnen konnte man nicht bloß durch die Spiegel gehen, sondern auch schwache Zauber ausführen. Nur so war es möglich, die Seelenzwillinge zu beschützen, ohne sich ihnen ständig zu zeigen und offen einzugreifen. Es genügte, um bei Autounfällen das Schlimmste abzuwenden, Stürze glimpflich ausgehen zu lassen … Elendig schwache Magie im Vergleich zu dem, was einem nach dem Ritual zur Verfügung stand. Nirta wollte sich nicht selbst belügen, sie hasste es, ihre Macht zu verlieren. Niemals würde sie diese freiwillig aufgeben! Sie war genauso korrumpiert wie alle anderen auch, dennoch musste es einen besseren Weg für ihr Volk geben. Wie sollte sie ihrer Cousine begreiflich machen, wovon sie eigentlich sprach? Reden hatte nie zu ihren Talenten gehört.
    „Ich verstehe dich, du brauchst kein verzweifeltes Gesicht zu ziehen“, sagte Andina unvermutet. „Ja, ich weiß, dass wir mit Brot und Spielen gefangen gehalten werden. Dass Ungehorsam mit Verbannung bestraft wird. Dass man uns vom ersten Schrei an zu gewissenlosen Mördern macht. Dass du längst deiner Erinnerung beraubt und hierher verbannt worden wärst, wenn dein Vater dich nicht für eine harmlose Spinnerin halten würde, die gelegentlich recht nützlich sein kann. Ich verstehe deine Hoffnung, mithilfe von Calael dieses System zu verbessern, wenn schon keine Änderung über Nacht möglich ist. Genauso wie ich deine Sorge

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