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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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deutete er kurz entschlossen auf einen seiner Leute, der etwas kleiner und schmächtiger war als die anderen. »Wits wird euch führen.«
    Die eitrigen Augen des Kriegers, der nur einen Lendenschurz und eine Kette mit Talismanen trug, weiteten sich entsetzt. Er sagte etwas in seiner Sprache, das wie eine Frage klang und von seinem Oberhaupt mit einem ganzen Schwall wütend klingender Pfeif- und Zischlaute beantwortet wurde. Bei jedem einzelnen schien der Rattenmann noch ein wenig kleiner zu werden, sodass er sich schließlich schweigend, aber mit deutlich erkennbarem Widerwillen der Anordnung fügte.
    »Ist es weit von hier?«, wollte Croy wissen.
    »Nicht weit«, entgegnete der Anführer und deutete zum Boden. »Aber tief.«
    »Tief?« Kieron spürte Unbehagen, das fraglos mit dem Albtraum zusammenhing, den er gehabt hatte. »Aber … heißt es nicht, dass ein uuu-unbeschreiblicher Schrecken in den Tiefen Nergals haust?«
    Der Rattenmann nickte. »Ich sehen«, sagte er grinsend, wobei es in seinen Augen gefährlich funkelte, »du bereits von Thong gehört …«
    »Meisterin!«
    Kalliope ließ den Stein fallen. So schnell ihre lange Robe es zuließ, setzte sie hinter den Säulen hervor und rannte zur anderen Seite der Halle. Ihr Herzschlag begann zu rasen, blankes Grauen packte sie – und dies umso mehr, als sie erneut einen Schatten wahrnahm, der über die Wand huschte, um schon im nächsten Moment mit der umgebenden Dunkelheit zu verschmelzen. Dann ein Geräusch, das die Schülerin jedoch nur am Rande wahrnahm – ihre ganze Sorge gehörte ihrer Lehrerin.
    »Meisterin Cedara! Wo …?«
    Als sie die große Säule umrundete, sah sie es: Cedara lag am Boden, die Hände Hilfe suchend ausgestreckt. Ihre blaue Robe hatte sich schwarz verfärbt.
    »Bei der Gnade der Schöpferin!«
    Kalliope stürzte zu ihrer Meisterin und fiel bei ihr nieder. Wohin ihre vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen auch blickten, sahen sie Blut, nichts als Blut. Jemand hatte Cedara in der Dunkelheit aufgelauert und sie so rasch und heftig angegriffen, dass ihr keine Chance zur Gegenwehr geblieben war. Fünf hässliche rote Spuren zogen sich über die linke Hälfte ihres Gesichts, ein Teil der Kopfhaut war abgerissen worden, sodass der blanke Schädel zu sehen war. Auch an der Brust war die numerata getroffen worden, eine furchtbare Wunde klaffte über ihrem Herzen, aus der stoßweise Blut pulsierte.
    »O nein! O nein«, hauchte Kalliope atemlos, während sie verzweifelt nach einem Weg suchte, die Blutung zu stoppen oder wenigstens die Qualen zu lindern, die Cedara leiden musste. Mit vor Schmerz verzerrten Zügen lag die Gildemeisterin am Boden und wand sich im Lebenssaft, der ihr entwich und in den Ritzen zwischen den steinernen Fliesen versickerte – und mit ihr auch das kostbare Leben …
    »Was ist passiert?«, fragte Kalliope, von Entsetzen geschüttelt. »Wer hat das getan?«
    »Nicht gesehen«, gab ihre Meisterin zurück. Blut trat ihr dabei über die Lippen und entstellte ihre einstmals so milden Gesichtszüge. »Nur ein Schatten … so schnell …«
    Kalliope nickte, während sie nach einem Weg suchte, die Blutung zu stillen. In ihrer Verzweiflung presste sie ihre Hände auf die klaffende Wunde, so als wollte sie ein leck geschlagenes Gefäß am Auslaufen hindern. Doch der Blutschwall war zu stark, als dass sie ihn hätte aufhalten können. Weder war Kalliope eine medica noch wusste sie besonders viel über den menschlichen Körper; dennoch war ihr klar, dass nichts und niemand ihre Meisterin mehr retten konnte …
    »Kalliope«, stöhnte Cedara. Ihr Blick suchte den ihrer Schülerin. »Habe … Fehler begangen«, hauchte die Gildemeisterin mit rasselndem Atem. »Vergib mir …«
    »Ich soll Euch vergeben?«, fragte Kalliope verwirrt.
    »Ich habe dich getäuscht …«
    »Sorgt Euch nicht mehr deswegen«, wehrte Kalliope ab, die ihre Verzweiflung nicht länger unterdrücken konnte. Tränen der Hilflosigkeit stürzten ihr in die Augen.
    »… in mehr als einer Hinsicht«, fügte Cedara hinzu. Ihr fliehender Blick versuchte den Kontakt zu halten, aber es gelang ihr nicht. »Doch stets nur zu deinem Besten …«
    »Ich weiß«, versicherte Kalliope kaum hörbar. »Ich weiß.« Sie hatte ihre Bemühungen, die Wunde zu verschließen, aufgegeben. Stattdessen hatte sie die Hände ihrer Meisterin ergriffen und presste sie an sich wie einen kostbaren Besitz.
    »Du sollst den Glauben … nicht verlieren«, schärfte Cedara ihr ein. Das

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