Splitterwelten 01 - Zeichen
ist.«
»Gewiss«, räumte Harona ein, »und gehört dazu Eurer Ansicht nach auch, ein nokturner Sektierer zu sein?«
»Ich bin kein Sektierer!«, versicherte Larax jammernd und warf sich bäuchlings auf den steinernen Boden. »Bitte glaubt mir doch! Ich bin nur ein Narr, ein harmloser Narr! Mit dem Nox habe ich nichts im Sinn!«
»Das Gefährliche am Nox ist, dass man nicht erkennt, wenn man ihm verfällt«, entgegnete die Gildemeisterin lauernd. »Womöglich ist deine Seele längst der ewigen Nacht verfallen, und du weißt es nur noch nicht. Die einzige Chance, sie der Dunkelheit zu entreißen, liegt im heilenden Licht des Feuers.«
»Nein!«, widersprach Larax und schüttelte den Kopf, dass die Schellen an seiner Kappe nur so klingelten. »Das ist nicht gerecht! Ich bin nur ein Narr! Nur ein Narr!«
»In der Tat«, bestätigte Harona ungerührt und wandte sich wieder dem König zu. Den Hofnarren behandelte sie so, als ob er sich in Luft aufgelöst hätte, und ließ ihn über sein Schicksal im Ungewissen. »Hoheit, wie ich selbst sehen kann, hat die Erhabene Schwester recht daran getan, eine Schwester des Rates nach Tridentia zu entsenden, auf dass sie zu unserem und Eurem Wohl über die Einhaltung des Paktes und seiner Gesetze am Königshof wache.«
»Wenn Ihr es so wünscht«, brummte Ardath nur und hatte damit zu tun, ein tiefes Rülpsen zu unterdrücken.
»Nicht mein Wunsch war es, sondern der der Gilde, denn in ihrem Auftrag bin ich hier – und wie es den Anschein hat, komme ich gerade noch rechtzeitig, um Dinge zu verhindern, die Ihr oder Eure Vasallen sonst womöglich bereuen würdet.«
»Soll das eine Drohung sein, Gildemeisterin?«, erkundigte sich Arion an des Königs Stelle. Seine spitze Nase reckte er dabei vor, und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Prisca konnte sehen, dass sowohl dem königlichen Verwalter als auch den meisten Adeligen die Vorstellung, eine numerata als ständigen Gast bei Hofe zu haben, ganz und gar nicht gefiel.
»Ist es eine Drohung, zu sagen, dass nach dem Tag die Nacht anbricht?«, fragte Harona ungerührt dagegen. »Nein«, gab sie selbst die Antwort, »es ist lediglich die Wahrheit. Ich spreche nicht von Dingen, die sich vielleicht ereignen werden, sondern die so sicher sind wie die Gesetze der Natur. Tridentias Krone ist auf das Wohlwollen der Gilde angewiesen. Wenn unsere Schwestern nicht die Klüfte überbrücken, die die Teile Eures Königreichs voneinander trennen, so wird es bald nur noch in Eurer Vorstellung existieren.«
»Dessen sind wir uns bewusst, Gildemeisterin«, gab Arion zähneknirschend zur Antwort, während sich der König auf dem Thron nachschenken ließ und seinen Becher erneut bis auf den Grund leerte.
»Natürlich«, entgegnete Harona ungerührt, »ich weiß, dass Ardath der Goldene nichts so sehr liebt wie seine Untertanen und dass ihm nichts wichtiger ist als die Erfüllung seiner Pflichten als Regent. Betrachtet unsere Anwesenheit daher nur als eine Art Erinnerung.«
Der Mund des maior domus schnappte mehrmals auf und zu wie bei einem Fisch, der unversehens auf dem Trockenen gelandet war. Ihm war anzusehen, wie gerne er widersprochen hätte, aber ihm war klar, dass weder ihm noch seinem König eine andere Wahl blieb, als sich zu fügen. »Nur eines sagt mir, Gildemeisterin«, verlangte er trotzig zu wissen. »Es ist lange her, dass die Erhabene Schwester ein Mitglied des Rates an den Königshof entsandt hat. Wollt Ihr die Güte haben, uns zu verraten, was den Ausschlag dazu gegeben hat?«
Prisca merkte, dass ihre Meisterin einen Augenblick zögerte. »Sagen wir einfach«, erwiderte Harona dann mit einem undeutbaren Lächeln, »dass die Erhabene Schwester erkannt hat, dass wir in einer Zeit großer Veränderungen leben. Diese Veränderungen betreffen uns alle – sogar den König.«
16. Kapitel
Der Stollen war so lang, dass die Fackel in Kierons Händen nicht ausreichte, ihn bis zum Ende zu erhellen.
Für einen Augenblick wähnte sich der Junge wieder zurück auf Madagor, im Kerker des Großmercators – bis ihm einfiel, dass er befreit worden war! Jago und der Panthermann waren in den Kerker eingedrungen und hatten ihn herausgeholt, und gemeinsam waren sie auf dem Rücken eines Flugdrachen davongeritten …
Oder?
Je länger Kieron darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam es ihm vor. Wann hatte Jago ihm je etwas Gutes getan? Und wieso sollte der Pantheride sein Leben riskieren, um ihn zu retten? Viel wahrscheinlicher
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