Splitterwelten 01 - Zeichen
Gildemeisterin. Aber Ihr hättet dort auch nichts vorgefunden.«
»Was meint Ihr?«
»In jener Nacht, da Meisterin Glennara starb, ist jemand in ihr Quartier eingedrungen und hat ihre ganze persönliche Habe entwendet. Als man es am nächsten Morgen bemerkte, war der Dieb bereits entkommen.«
»Und auf den Gedanken, der Dieb könnte am Ort seines Wirkens auch Spuren hinterlassen haben, seid ihr nicht gekommen?«
»Offen gestanden nicht. Ihr müsst nachsichtig mit uns sein, Gildemeisterin. Jordråk ist weit entfernt von Ethera, und wir sind nur rohe Wilde.« Erik deutete eine Verbeugung an.
Sie folgten einer Anzahl von Gängen, die von Fackelschein beleuchtet wurden. Eine schmale Treppe brachte sie anschließend noch tiefer ins Innere der Festung, und die Tatsache, dass es hier keine Beleuchtung gab, wies darauf hin, dass es sich um einen wenig besuchten Teil der Burg handelte. Nur noch die Flamme, die Erik vor ihnen hertrug, verbreitete flackernden Schein. Jenseits davon herrschte gähnende Schwärze, die Kalliope schaudern ließ.
Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn ihr Diener nicht der war, für den er sich ausgab? Wenn er in Wahrheit den Auftrag hatte, die beiden ungebetenen Besucherinnen in einen entlegenen Teil der Festung zu führen und ihnen dort jenes traurige Schicksal angedeihen zu lassen, das auch Schwester Glennara widerfahren war?
Sie rief sich zur Ordnung. Zum einen erweckte Erik, so anmaßend er sich auch verhalten mochte, nicht den Eindruck eines Mörders. Zum anderen waren da die Fähigkeiten ihrer Meisterin, die sie zuverlässig schützten.
»Was hatte Glennara in diesem Bereich der Festung zu suchen?«, erkundigte sich Cedara, die zumindest ähnliche Gedanken zu hegen schien.
»Das wissen wir nicht«, gab Erik zur Antwort. »Normalerweise haben Fremde mit diesem Teil der Festung nichts zu schaffen. Es sei denn, Eure Mitschwester wäre nicht nur in ihrer Eigenschaft als Levitatin hier gewesen.«
»Ich weiß, worauf du anspielst«, versicherte Cedara, »aber ich kann dir versichern, dass dies nicht der Fall gewesen ist.«
»Du stellst seltsame Fragen für einen Diener«, bemerkte Kalliope säuerlich.
»Meint Ihr?«, fragte Erik. »Ist es Dienern bei Euch auf Ethera etwa nicht erlaubt, frei zu denken und zu sprechen?«
Die Gildeschülerin ärgerte sich über diese Erwiderung, und dabei wusste sie noch nicht einmal, aus welchem Grund. Weshalb interessierte sie sich überhaupt für das, was ein hergelaufener Diener zu sagen hatte?
»Dort ist es«, sagte Erik unvermittelt und deutete geradeaus den Gang hinab, der vor einer Pforte endete. »Hinter jener Tür ist es … geschehen.«
Die Pforte war aus massivem Holz und mit eisernen Beschlägen versehen. Ein Riegel war vorgeschoben worden, der wiederum mit einer Kette und einem Schloss gesichert war.
»Diese Tür ist immer verschlossen?«, erkundigte sich Cedara, während Erik aus einem ledernen Beutel, den er am Gürtel trug, einen rostigen Schlüssel hervorholte.
»Gewöhnlich ja«, bestätigte er. »Bis auf …«
»… die Nacht, in der Meisterin Glennara ermordet wurde«, brachte Cedara den Satz zu Ende.
»In der Tat.« Erik nickte. »Hier war es auch, wo der Robbenmann gefunden wurde.«
»Der Robbenmann?«
»Ein Diener«, erklärte Erik. »Wir nehmen an, dass er es gewesen ist, der Eure Mitschwester hierhergeführt hat. Den Grund dafür kennen wir jedoch nicht, und der Diener konnte ihn uns nicht mehr verraten, denn sein Körper war bereits kalt, als wir ihn fanden. Etwas – oder jemand – hatte ihm das Genick gebrochen.«
»Ich verstehe«, sagte Cedara nur, doch Kalliope kannte die Miene ihrer Meisterin gut genug, um zu wissen, dass sie sich ihren Teil dachte.
Mit metallischem Klicken sprang das Schloss auf. Mit lautem Knarren schwang die Tür in ein düsteres Gewölbe, aus dem der Geruch von Moder drang und das erst aus seinem dunklen Schlaf erwachte, als Erik daranging, die Fackeln zu entzünden, die entlang der Wände in Halterungen steckten.
Cedara und Kalliope traten ein. Der Raum war größer, als sie es erwartet hatten, fast eine Halle. Steinerne Säulen trugen eine hohe Decke, an der Stirnseite gab es eine Feuerstelle. Die Kaminöffnung starrte den Frauen wie ein gefräßiger Schlund entgegen.
»Welchem Zweck dient dieses Gewölbe?«, wollte Cedara wissen, während sie sich aufmerksam umblickte. Möbel gab es keine, in einer Ecke balgten sich zwei Ratten um einen Brocken Abfall.
»Keinem«, gab
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