Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
Vom Netzwerk:
Paul vom Rasen herüber. »Clary geht zum Zirkus.«
    »Zieh bloß Leine«, sagt Clary und steht schon wieder auf den Händen. Die beiden sind nicht überrascht, mich zu sehen, aber mir entgeht nicht, daß sie sich kurz einen verstohlenen Blick zugeworfen haben. Ihr Alltag ist voll von Geheimnissen, und mir begegnen sie mit heimlichem Humor und heimlicher Sympathie. Es würde ihnen Spaß machen, wenn wir hier auf dem Rasen eine Balgerei anfingen, so wie zu Hause, aber das geht jetzt nicht. Paul hat wahrscheinlich wieder einen neuen Witz auf Lager, der besser ist als der vom letzten Donnerstag.
    »Sie macht das recht gut, findest du nicht?« rufe ich.
    »Das war auch als Kompliment gemeint, in Ordnung?« Paul steht da, die Hände in den Hüften wie ein Mädchen. Er und ich ertragen Mißverständnisse nur schlecht. Clary läßt sich auf den Hintern fallen und lacht. Sie sieht aus wie ihr Großvater und hat seine fast silbernen Haare.
    »Ich finde es merkwürdig, daß ein Ort wie dieser ein Leichenschauhaus haben kann, meinst du nicht?« sagt X nachdenklich. Sie trägt einen Wickelrock aus Segeltuch in leuchtendem Rot und Grün und dazu ein minzfarbenes Strickhemd von Brooks, wie ich sie auch trage, und sieht lässig sportlich aus. Sie streicht den Stoff über den Knien glatt und klopft mit den Absätzen leicht gegen den Autoreifen. Sie ist großmütig aufgelegt.
    »Ich hab nie darüber nachgedacht«, sage ich und beobachte meine Kinder voller Bewunderung. »Aber du hast wohl recht, es ist schon überraschend.«
    »Einer von Pauls Freunden hat einen Pathologen zum Vater, und der sagt, sie hätten eine sehr moderne Einrichtung hier im Untergeschoß.« Sie blickt mit gelassenem Interesse zu der Fassade aus Backsteinen und Glas hinüber. »Allerdings keinen Leichenbeschauer. Der kommt von New Brunswick herunter, wenn er seine festgelegte Tour abfährt.« Zum ersten Mal sieht sie mir direkt in die Augen. »Und wie geht’s dir ?«
    Ich bin froh, diese vertrauensvolle Stimme wieder zu hören. »Es geht schon. Dieser Tag ist auch mal vorbei.«
    »Tut mir leid, daß ich dich dort anrufen mußte, wo immer du warst.«
    »Das macht nichts. Walter ist gestorben. Wir können nichts dafür.«
    »Mußtest du ihn dir ansehen ?«
    »Nein. Seine Verwandten in Ohio kommen her.«
    »Ohio und Selbstmord, das paßt zusammen.«
    »Kann schon sein.« Sie demonstriert – vollendet, wie immer –, daß sie aus Michigan stammt. Niemand dort hat etwas für Ohio übrig.
    »Was ist mit seiner Frau?«
    »Sie sind geschieden.«
    »Du armer Junge, du.« Mit einem kurzen und unverhofften Lächeln tätschelt sie mir das Knie. »Gehst du mit mir einen trinken? Das August ist offen. Ich bringe erst noch diese zwei Indianer nach Hause.« Sie starrt in das Beinahe-Dunkel, wo unsere Kinder im Gras eine private Konferenz abhalten. In allen kritischen Angelegenheiten vertraut sich einer dem anderen an.
    »Ich komm schon zurecht. Wirst du Fincher heiraten?«
    Sie mustert mich gleichmütig und blickt dann weg. »Ganz gewiß nicht. Er ist verheiratet, wenn sich die letzten drei Tage nichts geändert hat.«
    »Vicki sagt, ihr beide seid das heiße Thema in der Notaufnahme.«
    »Vicki-Schmicki«, sagt sie und schnauft hörbar durch die Nase. »Bestimmt irrt sie sich. Und dich kann das doch bestimmt nicht interessieren.«
    »Er ist ein Arschloch, einer, der dauernd mit dem Kleingeld klimpert, das ist alles. Er ist in diesem Augenblick in Memphis unten, um eine klimatisierte Nerzfarm aufzumachen. So einer ist das.«
    »Ich weiß.«
    »Es ist also wahr.«
    »Wahr?« X sieht mich eiskalt an. Ich bin hier natürlich das Arschloch, aber das ist mir gleich. Es scheint etwas auf dem Spiel zu stehen. Die Stabilität und Unverletzlichkeit meiner Scheidung.
    »Ich denke, du interessierst dich für Software-Verkäufer.«
    »Wen ich heirate und ficke «, flüstert sie furchtbar, »entscheide ich immer noch selbst.«
    »Es tut mir leid«, sage ich, aber das stimmt nicht. Draußen auf der Seminary Street sehe ich langsam die Lichter angehen; sie flackern einmal und bleiben dann an.
    »Männer halten andere Männer immer für Arschlöcher«, sagt X kalt. »Überraschend ist nur, wie oft sie recht haben.«
    »Hält Fincher mich für ein Arschloch?«
    »Er läßt sich von dir einschüchtern. Im übrigen ist er gar nicht so übel. Einige Dinge in seinem Leben sind ihm sehr wichtig. Er zeigt das nur nicht.«
    »Was ist mit Dusty?«
    »Frank, ich bringe deine Kinder nach Michigan, und

Weitere Kostenlose Bücher