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Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Titel: Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Biermann , Martin Haase
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Klimaskeptiker ist kein Skeptiker. Er hat mit der gleichnamigen Schule der antiken Philosophie und ihren Ideen nichts zu tun. Skepsis ist auf Griechisch die »(genaue) Betrachtung« und damit die »Prüfung«. Somit sind Skeptiker Menschen, die Informationen kritisch und womöglich mit wissenschaftlichen Methoden überprüfen. Die Klimaskeptiker jedoch prüfen nicht, sie ignorieren und leugnen Informationen. Zwei Gruppen von ihnen gibt es. Die erste leugnet, dass die Menschen die Erderwärmung verursacht haben. Was dumm ist, denn natürlich spielen Menschen, die die gesamte Natur beeinflussen, auch bei diesem Phänomen eine Rolle. Die Frage ist lediglich, wie groß der menschliche Einfluss ist. Die andere Gruppe leugnet die Folgen der Erderwärmung. Das ist auch nicht schlauer, da der steigende Meeresspiegel und andere Klimakatastrophen ja allenthalben sichtbar sind. Die erste Gruppe kann daher getrost als Klimawandelursachenleugner, die zweite als Klimawandelfolgenleugner bezeichnet werden. Zugegeben: beide Wörter sind etwas sperrig. Der Klimaskeptiker aber ist eine Antiphrase, denn die Leugner verschließen ihre Augen vor Problemen – von einer genauen Betrachtung kann daher keine Rede sein.

koalitionsfähig
    Klingt wie eine Grundbedingung menschlicher Zusammenarbeit. Wer nicht bereit und in der Lage ist, eine Koalition zu schließen, also eine Verbindung zu einem bestimmten Zweck einzugehen, sei es zur Kinderaufzucht oder zum Staatenlenken, der wird nie einen Partner finden. Eigentlich sollte die Koalitionsfähigkeit also der Normalzustand politischer Arbeit sein, schließlich wollen die Beteiligten möglichst viele Menschen vertreten. Ist sie aber nicht. Denn es geht nicht um Zusammenarbeit und Kompromiss, gemeint ist etwas anderes. Der Ruf nach Koalitionsfähigkeit ist die Aufforderung des vermeintlich Stärkeren, dass alle, die etwas von ihm wollen, ihre politischen Positionen aufzugeben haben. Beziehungsweise bedeutet der Vorwurf, nicht koalitionsfähig zu sein, dass der Angesprochene sich weigert, sich unterzuordnen. Denn die Koalitionsfähigkeit ist nicht die Fähigkeit zur Kooperation. Sie ist eine politische Unterwerfungsgeste, die der Logik folgt, dass einer eben mehr Stimmen bekommen hat als die anderen. Der militärische Ausdruck dafür wäre Kapitulation. Synonyme für koalitionsfähig sind →   konsensfähig oder →   kompromissfähig .

Kollateralschäden
    Bezeichnet werden damit Schäden, die als unbeabsichtigte Effekte des Einsatzes von Waffen in einem →   Krieg auftreten. Das Erstglied des Kompositums geht auf den lateinischen Ausdruck collateralis »benachbart, neben-« zurück. Die Schäden geschehen somit »nebenher«. Das Zweitglied entfernt die Vorstellung des Zuhörers noch ein Stück weiter von der Realität, denn es ist eine Entpersonifizierung oder Verdinglichung – mit den Schäden immerhin sind nicht kaputte Straßen gemeint, sondern kaputte Menschen, Tote und Verletzte also. Auf Deutsch werden diese gelegentlich Begleitschäden genannt. Das ist auch nicht schön, doch machen sich Fremdwörter noch viel besser, wenn es darum geht, Zusammenhänge zu verschleiern. Der Zweck ist klar, die Verursacher solcher Kollateralschäden wollen diese Toten einerseits als unvermeidlich und andererseits als nicht wichtig verstanden wissen. Es kann daher angenommen werden, dass der Terminus Kollateralschäden verwendet wird, um die Meinung über den Krieg und seine Folgen zu manipulieren. Die häufige Verwendung von Kollateralschäden im Plural verstärkt den Eindruck noch. Denn er hat wie so oft auch hier eine abschwächende Wirkung. Im Zusammenhang mit den Kollateralschäden wird außerdem gern von →   chirurgischer Kriegsführung geschwafelt, die behauptet, eben jene Schäden zu verhindern. Womit aus der Verschleierung glatt eine Lüge wird.

Kompetenzzentrum
    Das Kompetenzzentrum ist ein regelrechtes Bündel an sprachlicher Renommiersucht. Wer kompetent ist, der kann was. Wie gut muss dann erst das Kompetenzzentrum sein, wo sich offenbar haufenweise Kompetenz konzentriert? Doch halt, in dieser Wortkonstruktion heißt Kompetenz etwas anderes. Sie ist nämlich polysem, kann also mehrere Bedeutungen haben: einerseits »Fähigkeit«, andererseits aber auch »Befugnis« und »Zuständigkeit«. Letztere ist übrigens die ursprüngliche Bedeutung. Denn das lateinische competentia bezeichnete die Einkünfte der Bürger, aus denen sich die Höhe der zu zahlenden Steuern errechnete. Da mehr

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