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Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Titel: Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Biermann , Martin Haase
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also abgefedert werden müssen. Das ist natürlich Blödsinn, denn Kosten sind genau wie Einnahmen Teil wirtschaftlichen Handelns. Zur bodenlosen Frechheit wird der Begriff, wenn er wie eben beim Gesundheitswesen die Tatsache umschreibt, dass Patienten einen Teil der Kosten selbst zu bezahlen haben und/oder weniger für ihre Krankenkassenbeiträge bekommen. Womit die Kostendämpfung eher eine Leistungsdämpfung ist.

Kostenloskultur
    Die Kostenloskultur , gerne auch Umsonst-Mentalität genannt, bedroht angeblich Kultur, Wissenschaft, Journalismus, ja die ganze Welt des →   geistigen Eigentums . Ist das so? Bedroht das Netz tatsächlich die bestehende Ordnung der Vergütung von Werken? Aber hallo, und wie! Doch wo ist das Problem? Ist diese Ordnung etwa a) perfekt und/oder b) ein Naturgesetz? Nein. Sie war nur der Weg, der bisher irgendwie funktionierte. Nun gibt es andere technische Voraussetzungen. Es braucht also neue Wege. Die müssen gefunden und ausgehandelt werden. Das ist mühsam. Aber es ist noch mühsamer, solange irgendein milliardenschwerer Großverleger von einer angeblichen Kostenloskultur faselt und das Bestehende so lange wie möglich konservieren will, statt sich über Neues Gedanken zu machen. Wobei wir kurz anmerken müssen, dass das Gefasel von der Kostenloskultur natürlich eine Lüge ist. Kostenlos ist der Kram auf keinen Fall, den Sie im Internet immer so sehen und lesen. Denn Sie bezahlen mit Ihrer Aufmerksamkeit. Die hätten andere gern, weswegen sie dafür viel Geld ausgeben, in Form von Werbung. Aufmerksamkeit muss also eine valide Währung sein. Die ganze Aufregung um die Kostenloskultur ist nur scheinheiliges Gejammer. Immerhin erleben wir die größte deutsche Kostenloskultur seit Jahrzehnten in Form des allabendlichen Fernsehbildes. Oder haben Sie schon einmal irgendetwas an Sat. 1 und RTL überwiesen?

kostenneutral
    Das lateinische Adjektiv neutral(is) entstand aus den Silben ne- für »nicht« und uter für »welcher von beiden«. Es setzt also zwei Seiten oder Parteien voraus, und zu keiner der beiden soll das Neutrale gehören. Geht es nun um Geld, darf ein Faktor, was immer er sonst bewirkt, nicht dazu führen, dass die Kosten steigen oder fallen, also etwas teurer oder billiger wird, als es derzeit ist. In der Wirtschaft, aus der das Wort kommt, bedeutet es, dass keine zusätzlichen Kosten entstehen. Da dort Dinge gern als wertlos gelten, wenn sie nichts kosten, entstand wohl dieser wichtigtuerische Begriff. Dass Politiker ihn nutzen, wenn sie beispielsweise über eine Verwaltungsreform reden, ist interessant. Denn es gibt in unserer Sprache einen viel stärkeren Ausdruck dafür: kostenlos. Und dass eine →   Reform nichts kosten soll, klingt für den an einem →   Sparkurs interessierten Wähler eigentlich besser. Trotzdem wird nahezu immer das schwächere kostenneutral verwendet. Wir sehen hier eine interessante Wechselwirkung. Der gemeine Wähler hat gelernt, dass die Kosten politischer Entscheidungen über die Zeit immer steigen, egal was zuvor erzählt wurde. Und offensichtlich hat der gemeine Politiker gelernt, dass ihm die meisten Menschen nicht glauben, wenn er behauptet, etwas sei kostenlos, und nutzt daher den abgeschwächten Begriff. Was aber nichts hilft. Durch den häufigen Gebrauch hat sich auch die Bedeutung von kostenneutral bereits verändert, und wenn von » kostenneutralen Veränderungen« gesprochen wird, impliziert das für viele Zuhörer eine Kostensteigerung. Was eine logische Folge ist, wenn jemand Dinge sagt, die er nicht meint.

Kreativwirtschaft
    Kreativität, schrieb der Schriftsteller und Dummdeutsch-Kritiker Eckhard Henscheid einmal, sei »ein faselndes Laberwort vor dem Hintergrund einer zunehmend schwelenden kollektiven Geisteskrankheit«, vor allem aber sei der Begriff ein Zeichen für »stupide Geltungssucht«. Mit der Neusprechverwendung als Kreativwirtschaft nun ist es Politikern und Medienmanagern glatt gelungen, diesem Phänomen noch eine neue Dimension der Schrecklichkeit hinzuzufügen. Ist sie doch ein Euphemismus für gnadenlose Ausbeutung. Denn die sich mit diesem Ausdruck selbst beschreibende Wirtschaft, vulgo die Verlage, ist vor allem kreativ darin, ihren Knechten, den Urhebern, mit undurchschaubaren Vertragsklauseln die ureigenen Rechte abzuhandeln. Ja, sie erfindet sogar noch neue, siehe →   Leistungsschutzrecht , um die Leistung anderer überall, absolut und für alle Ewigkeit zum eigenen Wohl verwerten und verwursten zu

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