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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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Morgenlicht die große Straße hoch. Wir hören Musik. Ich könnte ein bisschen reden, aber die Kinder wollen ihre Ruhe. An der Schule Kinder ausladen und zurück nach Hause. Zeitung lesen, bis ich Geräusche aus dem Schlafzimmer höre.
    Catherine ruft: »Kriege ich einen Kaffee?«
    Ich antworte: »Na ausnahmsweise.«
    Neulich habe ich mal etwas anderes geantwortet, da hat sich Catherine beschwert. Sie will diese zwei Wörter morgens hören, nichts anderes. Ich schalte die Espressomaschine ein, toaste zwei Weißbrotscheiben, lege Catherine die Zeitung hin, stelle die Kaffeetasse daneben. Ich gehe ins Bad, sie steht nackt am Waschbecken und cremt sich ein. Ich küsse sie auf die Stirn. Sie frühstückt, ich lese Zeitung. Sie zieht sich an, ich räume ab. Wir fahren los mit dem Fahrrad nebeneinander auf dem Gehweg. Wir reden nicht viel. An einer Kreuzung, nicht weit von meinem Büro entfernt, muss sie nach rechts und ich nach links. Ich küsse sie auf den Mund.
    Es ist, als lebte ich in einem Film, der jeden Morgen wieder neu beginnt. Er würde vielleicht sogar ohne mich laufen. Der Tag hat einen Rhythmus, die Woche auch. Die Zeit ist schon verteilt, bevor sie begonnen hat.
    aw:
    Bin fast eingeschlafen. Erzähl mir mehr von dieser Mäusegeschichte.
    re:
    Die Mäusegeschichte besteht aus Reimen, die ich gedichtet habe, als Nadja vier war. Mit meinem rechten Zeige- und Mittelfinger wandere ich über ihren Rücken. Ich spiele verschiedene Mitglieder der Familie Maus, die alle gerade aufstehen. Ein Beispiel: Da kommt auch schon die Mamamaus aus ihrem kleinen Häuschen raus. / Der Papa, der hinkt hinterher und sagt: Das ist mir heut zu schwer. / Und sieh, da kommt das Nadja-Mäuschen und macht noch nicht einmal ein Päuschen.
    Du musst das alles im richtigen Takt lesen. Spürst du den Takt? Das Versmaß? Es ist eine Mischung aus Walther von der Vogelweide und den Doors.
    aw:
    Verstehe. Du bist Singer/Songwriter. Noch eine Frage, bevor ich wegnicke: Warum musst du immer »Na ausnahmsweise« antworten, bevor du deiner Frau den Kaffee machst?
    re:
    Catherine liebt rituelle Sätze. Dinge, die sich immer wiederholen. Und ich mag das eigentlich auch. Wenn wir einschlafen, sage ich immer: »Bonne nuit, meine Allerliebste.« Ich könnte da auch nichts anderes mehr sagen. Es ist eine feststehende Wendung, ein Kosename, ein Abendgebet. Das Interessante an rituellen Sätzen ist, dass der Satz an sich gar nicht mehr wahrgenommen wird. Nur noch Änderungen. Wenn ich zum Beispiel sagen würde: »Bonne nuit, Liebste«, käme sofort die Frage von Catherine, warum sie nicht mehr die Allerliebste ist. Genauso ist es ja auch mit Kosenamen. Die Paare nennen sich »Schatz«, sogar wenn sie sich anschreien. Sie sagen dann: »Schatz, halt’s Maul.«
    aw:
    Gut. Mir reicht das erst mal, Maxim. Ich will jetzt über Krankheiten reden! Was ist mit deinem Knie?
    re:
    Was denn nun? Eben wolltest du noch über meinen Alltag reden. Jetzt über Krankheiten. Entscheide dich.
    aw:
    Krankheiten.
    re:
    Mein Knie hakt manchmal aus. Das ist ein blödes Gefühl, so als falle gleich die Wade ab. Gleichzeitig knirscht der Knochen. Ich darf nicht joggen, was dazu führt, dass ich mich nicht entspannen kann. Mein Magen drückt (bei mir geht alles über den Magen), mein Bein quietscht. Außerdem hat der HNO -Arzt gesagt, mein Gaumensegel müsste gestrafft werden. Es flattert und knattert im Wind. Deshalb schnarche ich. Klingt alles nicht toll, oder?
    aw:
    Ich hatte vor ein paar Monaten mal ’ne Analthrombose.
    re:
    Sagtest du bereits, Jochen. Klingt ekelhaft. Wie kriegt man so was?
    aw:
    Wie man so etwas kriegt, war mir egal. Ich wollte nur wissen: Wie wird man es wieder los? Du hast schon gegessen, oder? Also …
    Ich saß auf dem Klo. Dabei bemerkte ich einen Knoten am After. Ich dachte: Was macht der Knoten da? Dann habe ich erst mal abgewartet. Das mache ich gern. Erst mal abwarten. Wenn das Auto nicht anspringt – mit der Bahn fahren und erst mal abwarten. Wenn der Fernseher flackert – erst mal abwarten. Wenn in der Dusche der Abfluss verstopft – erst mal abwarten. Viele Dinge regeln sich von selbst. Das ist eine männliche Taktik. Das Leben steckt voller Geheimnisse. Ich weiß nicht, warum das Auto kaputtging. Wie will ich dann ausschließen, dass es jetzt wieder in Ordnung ist? Außerdem, wenn man lange wartet,

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