Sprechende Maenner
ich schlafe zu Hause, ich höre Musik zu Hause, ich dusche zu Hause.
Und gerade jetzt schreibe ich zu Hause.
aw:
Wo lebst du eigentlich? Im gepflegten Singleloft? Oder in der verlausten Männerbutze?
re:
Ich sitze unter dem Dach und schaue durch das Fenster auf eine Kirchturmspitze. Meine Wohnung ist 87 Quadratmeter groÃ, hat Parkettboden und ist seit zwei Jahren noch nicht ganz eingerichtet. Wahrscheinlich auch in drei Jahren noch nicht. Ich habe einen Freund, der seit 16 Jahren allein in einer Wohnung lebt, von der er sagt, er müsste sie mal ganz einrichten.
Das ist der Männer-allein-zu-Haus-Status: Alles ist immer auch provisorisch. In zwei Stunden könnte man die Wohnungseinrichtung zusammenpacken und verschiffen. Den Gedanken finde ich nicht unangenehm.
Natürlich sehen Männer-allein-Wohnungen ein bisschen scheiÃe aus. Also nicht scheiÃe, sondern männlich. Na ja, doch, ein bisschen scheiÃe â¦
Ich habe mich bemüht, aber ich kaufe nicht gerne Möbel, ich richte nicht gerne ein. Ich kann in einer Wohnung keine Wärme erzeugen, nicht so eine Wärme, wie ich es aus Frauen-allein-Wohnungen kenne. Eine Freundin sagte, ich solle ein bisschen was Neues kaufen, als Möbel, und ein bisschen was Altes, das sei eine klassische, solide Mischung, was ich jetzt auch mache, sodass meine Wohnung wohl klassisch-solide ist. Ich habe keine Blumen in meiner Wohnung, nur im Sommer die Balkonpflanzen, die ich im Baumarkt kaufe, zusammen mit den Blumenerdesäcken.
Ich habe auch ein Schlafzimmer. Mit einem Bett. Das Ding ist 1,60 Meter breit, was du, Maxim, übertrieben finden magst für einen 1,73 Meter groÃen Mann. Aber ich denke, allein leben heiÃt nicht unbequem leben. Ich habe zwei Bettdecken im Bett liegen, weniger für den Fall, dass eine Frau die Nacht bei mir verbringt, sondern weil das Bett mit einer Decke irgendwie leer aussieht.
Ich schaue gerne fern in meiner Wohnung oder sitze auf dem Balkon, aber ich lese nicht gerne in der Wohnung. Es ist mir zu still. Ich möchte nicht meinen eigenen Atem hören. Der eigene Atem ist ein beunruhigendes Geräusch.
Deshalb lese ich in einem Café in meiner StraÃe. In »meinem« Café.
Dort, wo ich auch frühstücke, zwei- oder dreimal in der Woche.
aw:
WeiÃt du, was ich fühle, wenn ich das lese?
re:
Was?
aw:
Beklemmung. Die Stille, von der du schreibst oder die ich zu spüren glaube, die löst bei mir so ein beklemmendes Gefühl aus. Dabei ist Stille ja erst mal nichts Unangenehmes. Bei mir zu Hause ist eigentlich immer Lärm. Kinderlärm, Frauenlärm, Lebenslärm. Aber manchmal sitze ich abends zu Hause im Wohnzimmer und lese, nebenan höre ich Catherine, sie schreibt, die Computertastatur klappert, und das finde ich dann schön, wohlig. Ich bin zwar ungestört, für mich, aber trotzdem ist jemand da. Das ist für mich auch Geborgenheit. Die Stille zu zweit.
Gibt es denn Situationen, die du als Single bewusst vermeidest?
re:
Hochzeiten.
aw:
Ist mir schon klar, Jochen.
re:
Es geht nicht um meine Hochzeit. Die vermeide ich sowieso. Sondern überhaupt um Hochzeiten. Ich war auf unendlich vielen Hochzeiten, und drei Viertel davon waren scheuÃlich. Die Inszenierungen, die immer gleichen Hochzeitsschlösser, die angegrauten 40-jährigen Hochzeitspaare, die sich jetzt doch »füreinander entschieden haben«, kurz vor der Rente. Hochzeiten sind Paarauftritte, Paarfeste. Leute wie ich haben dort eigentlich nichts verloren.
Manchmal werden Fotos gemacht, von allen anwesenden Paaren. Ich werde dann immer neben irgendeiner fremden Singlefrau platziert oder neben einem Kind oder einem Witwer, mit denen ich dann ein Fotopaar bilde für das verdammte Hochzeitsalbum. Wenn ich Glück habe, stehe ich neben einem Kumpel, und wir halten uns an den Händen und grinsen in die Kamera wie ein schwules Pärchen. Kein Problem, mache ich alles.
Ich sitze auch einen ganzen Abend lang am Tisch der Verlorenen. Dort sitzen traditionell auf jeder Hochzeit die Bindungslosen, Alten, Schwachen und Ausländer, die an den anderen Tischen keinen Platz gefunden haben, weil niemand mit ihnen redet. Gern werde ich neben eine Singlefrau gesetzt, mit dem Hinweis, sie sei gerade frisch oder weniger frisch getrennt und ganz zauberhaft. Ist sie aber nie. Ich rede dann auch lieber mit dem schwulen Juradoktoranden am Tisch oder der alten Studienfreundin aus Moskau, die kein
Weitere Kostenlose Bücher