Sprengkraft
an der Wand zu schaffen und erklärte: »Ist noch frisch. Hier ist das Projektil eingeschlagen. Unser Kollege hat dort im Sessel gesessen. Grüter muss ihn überrascht haben.«
Kripochef Engel kam herein und grüßte. Er musste sich ducken, als er durch die Tür trat. Sein Overall war an Armen und Beinen zu kurz. Anna fing seinen Blick auf.
Ihr Zusammenprall mit Zander fiel ihr ein. Gestern, auf dem Flur im Landeskriminalamt: Engel sitzt mir im Nacken. Wegen des Maulwurfs in meinem früheren Einsatztrupp. Annas Puls beschleunigte sich.
Sie sprach den Kripochef an: »Zander hatte den Auftrag herauszufinden, wer Noureddine Diouris Bande damals vor den Razzien des Rauschgift-Einsatztrupps gewarnt hat, stimmt’s?«
Engel nickte.
»Warum haben Sie das nicht dem Inneren Dienst überlassen?«
»Auf die übliche Weise kamen wir nicht mehr weiter.«
»Übliche Weise?«
»Sie kennen doch den Ruf, den sich Zander in langen Jahren erworben hat.«
»Was soll das heißen?«, fragte Anna giftig.
Die Kollegen der Mordkommission übten sich in betretenem Schweigen – es gehörte sich nicht, dem Leitenden Kriminaldirektor in diesem Ton zu begegnen.
»Wollen Sie etwa andeuten, dass Martin …«
»Wir wissen beide, dass Zander nicht gerade die Zierde unserer Behörde war«, unterbrach Engel sie. »Glauben Sie, ich hätte ihn wegen seiner Ermittlerfähigkeiten in die Mordkommission gesteckt?«
»Warum nicht?«
»Zander trickste, misshandelte Verdächtige, war selbst kriminell. Tun Sie nicht so, als wüssten Sie das nicht, Kollegin Winkler.«
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen, Herr Engel. Der Martin Zander, den ich kannte, war ein guter Kerl.«
Der Kripochef lächelte nur.
Am liebsten hätte Anna ihm in die selbstgefällige Fresse gespuckt.
60.
Freitag, Dienstbeginn, die dritte Morgenbesprechung, seit die Ermittlungen in der Bombensache beim Landeskriminalamt lagen. Veller bediente sich an der Kaffeemaschine – in Annas Küche hatte er weder Filter noch Pulver gefunden. Die Kollegen trudelten im Besprechungsraum ein. Dampfende Becher, Frühstücksteilchen, hingeklatschte Notizblöcke. Verstohlenes Gähnen.
Veller begann mit der Nachricht, dass Martin Zander nicht mehr lebte. Die Kollegen waren schockiert, auch wenn die Nachricht keinem so an die Nieren ging wie Anna – Zander hatte in der kurzen Zeit seiner Mitarbeit keine Freundschaften geschlossen.
Neuigkeit Nummer zwei: die Bereitschaft des Landesamts für Verfassungsschutz, den Ermittlern Akteneinsicht zu gewähren.
Schließlich der Fund, der Bisping und seiner Tatortgruppe zu verdanken war: die Splitter eines Motorola-Handys. Der unbekannte Vierte.
Nun war auch der Letzte wach.
»Irgendwelche Ideen?«, fragte Veller.
»Wenn die Bombe aktiviert wurde, indem jemand das eingebaute Handy anrief, kann das im Prinzip von jedem Punkt der Welt aus geschehen sein«, überlegte ein Kollege.
»Kommt darauf an«, erwiderte ein zweiter. »Wenn ich sichergehen will, dass alles klappt, würde ich die Bombe im Auge behalten. Zumindest den Raum, in dem sie sich befindet.«
»Der Typ im Vorderhaus!«, rief Dombrowski und alle Blicke wandten sich ihm zu. »Da gab es doch diese Türkin, die im Treppenhaus einen Fremden …«
Er blätterte hastig in den Akten, die er vor sich ausgebreitet hatte. »Ich hab’s, übrigens hat das noch Martin Zander protokolliert. Hier, die Beschreibung, die ihm die Anwohnerin gegeben hat … Na ja, ziemlich vage. Er lief an der Zeugin vorbei Richtung Ausgang. Angeblich ein Deutscher. Deshalb glaubten zunächst viele im Haus an einen Rechten, der es auf die Moschee abgesehen hatte.«
»Nur ist dann bald der islamistische Hintergrund der drei Jungs aufgefallen«, stellte Veller fest. Der Frosch im Brunnen: Hatten sie sich vorschnell auf die Dschihad-Nummer eingeschossen und andere Hinweise vernachlässigt? »Holt die Zeugin her. Sucht mit ihr unseren Phantombildspezialisten auf und besorgt zur Sicherheit einen Dolmetscher.«
Veller bestimmte das Team, das sich darum kümmern sollte, sowie vier weitere Kollegen, die gegen Mittag die Moschee im Hinterhof aufsuchen sollten, um die Teilnehmer des Freitagsgebets zu befragen. Er blätterte in seinen Notizen und stieß auf die Nummer des Beamten, der im Düsseldorfer Präsidium für den Kontakt zu den muslimischen Gemeinden zuständig war – der Kollege hatte zugesagt, die Ermittlungskommission zu unterstützen, und vielleicht konnte der Mann den Imam
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