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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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erobern.

    Bei jedem Zischlaut versprühte die alte Dame Speicheltröpfchen, die im grellen Saallicht aufblitzten. Sie lobte die geplante Neuausrichtung der Partei als Kraft der Mitte – das war Moritz neu.

    »Die Frau hat Feuer«, raunte Ott-Petersen und berührte dabei seinen Schenkel.

    Das ist keine Anmache, sagte sich Moritz. Du hast seit Weihnachten keine Frau mehr im Bett gehabt und bildest dir nur etwas ein.

    Zum Abschluss nannte die Seniorchefin des Rothenbaum-Instituts Bedingungen für einen Erfolg: Damit der Kurswechsel in der Öffentlichkeit ankomme, müssten die Freiheitlichen verstärkt an ihrem Image arbeiten. Und sie bräuchten eine neue Spitzenkraft, die Kompetenz ausstrahle und glaubhaft vermittele, weder der etablierten Politikerklasse anzugehören noch dem braunen Sumpf der Rechtsextremen. Zwölf Prozent der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen könnten sich vorstellen, zur Landtagswahl einer solchen Person ihre Stimme zu geben. Bis zu zwanzig Prozent seien es in anderen Bundesländern. Vor allem bei Jungwählern seien die Chancen enorm.

    Wieder gab es Standing Ovations. Bucerius sprang zum Pult und dankte der Rednerin mit einem Handkuss. Er wippte nervös auf den Zehenspitzen und winkte kurz in Moritz’ Richtung. Die bisherige Bundestagsabgeordnete der CDU stand auf und gesellte sich an die Seite des Gastgebers. Der Applaus wurde rhythmisch.

    In diesem Moment erkannte Moritz, wer zur neuen Führungsfigur erkoren war. Und ihm dämmerte, was seine Rolle in diesem Zirkus sein sollte.

    Ott-Petersens Blick ruhte auf ihm. Moritz gestand sich ein, dass die Freiheitlichen so ziemlich das Gegenteil von dem waren, was Moritz in seiner Jugend politisch vertreten hatte. Er malte sich aus, was Petra, seine frühere Lebensgefährtin, und Gretchen, seine sechzehnjährige Tochter, sagen würden, wenn sie ihn hier sehen könnten – ihm wurde schwindlig und er sagte sich, dass die Freiheitlichen nie und nimmer die Fünfprozenthürde überspringen würden.

     
    Die Gruppe war ins Foyer gezogen. Sie bestand aus ausgewählten Funktionären und ein paar wohlhabenden Unterstützern der Freiheitlichen, wie Moritz inzwischen wusste. Stehtische, Platten mit Häppchen, Pianomusik vom Band. Carola Ott-Petersen ließ sich ein paar Meter weiter hofieren.

    Still beugte seinen Rücken zu Bucerius und verriet: »Konrad Rolfes wird ebenfalls der Partei beitreten.«

    »Tatsächlich?«

    »Sobald unsere neue Vorsitzende gewählt ist. Mit diesen beiden Meldungen kann unser Herr Lemke, wenn er wirklich so gut ist, ein PR-Feuerwerk zünden, das uns geradewegs in den Landtag katapultieren wird.«

    Moritz fragte: »Wie haben Sie Rolfes überreden können?«

    »Gar nicht. Er kam zu uns. Ein Demokrat und Totalitarismus-Verächter, wie er im Buche steht. Er hasst die Judenhasser und glaubt, gleich zwei Fliegen zu schlagen, die Mekkaverneiger und die Nazispinner.«

    »Es könnte ihn den Nobelpreis kosten«, spekulierte Bucerius. »Der geht seit Jahren nur an stramme Linke.«

    »Ich fürchte, Rolfes hat andere Probleme.«

    »Welche?«

    »Er hat vielleicht Auschwitz überlebt, aber was ist schon das KZ gegen diesen schrecklichen Husten?« Nur Still selbst lachte über den vermeintlichen Scherz.

    Ein Kellner servierte Sekt. Moritz wehrte ab. »Ich muss noch fahren.«

    »Heute nicht mehr«, widersprach der Unternehmer und drängte ihm ein Glas auf. »Es ist ein Zimmer für Sie reserviert. Sie werden doch noch mit uns essen. Oder etwa nicht?«

    »Eine Sache verstehe ich nicht, Herr Bucerius.«

    »Fragen Sie!«

    »Sie krempeln kurz vor der Landtagswahl eine ganze Partei um. Führung, Image, Programm – alles neu.«

    Der Bauunternehmer wies auf den Langen aus dem Innenministerium. »Herr Still ist Vorstandsmitglied und weiß die wichtigsten Leute in den Landesverbänden hinter sich. Und die letzten Zweifler wurden heute Abend überzeugt, nicht wahr, Herr Still?«

    »Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, wenn sie den Erfolg wollen.«

    »Aber wird sich die Parteibasis darauf einlassen?«, fragte Moritz. »Da braucht es doch satzungsgemäße Beschlüsse, Delegiertenversammlungen …«

    Still beäugte ihn durch seine Lupengläser. »Glauben Sie, Herr Lemke, in anderen Parteien läuft es anders? Höchstens bei den Grünen in ihren Anfangsjahren, als sie noch an all diesen Mist glaubten. Wie hieß das damals? Basisdemokratisch …«

    »… gewaltfrei, sozial und ökologisch«, ergänzte Moritz.

    Still verzog den Mund.

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