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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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begonnen, Noureddine zur Hand zu gehen, Heroin in Bubbles zu wickeln, den Stoff auf den Straßen des Viertels zu verkaufen. Mit fünfzehn gab ihm Noureddine eine schwere Neunmillimeterpistole – Rafis Aufnahme in die Gemeinschaft der Erwachsenen.

    Drei Jahre später war sein Bruder tot aufgefunden worden. Durchsiebt von feindlichen Kugeln. Rasch hatte Rafi erfahren, wer der Mörder gewesen war: der Kurde Barat Öczelik, ein Geschäftspartner Noureddines, immer misstrauisch und zum Streit aufgelegt – die Bullen hatten Öczelik mehrmals ins Präsidium gefahren und nur deshalb wieder laufen gelassen, weil sie bestochen waren. Zumindest war Rafi bislang davon ausgegangen.

    Rafi zog Noureddines Tasche hervor. Louis Vuitton, feinstes Leder. Rafi öffnete den Reißverschluss. Obenauf lagen die Pistole und ein Reservemagazin. Etwas Bargeld, Rafis Ersparnisse, nicht der Rede wert. Darunter hellgrauer, fast weißer afghanischer Stoff, noch unverschnitten und kiloweise in Klarsichtbeutel gefüllt.

    Die Tasche vor den Bullen, den Kurden und dem Rest der Bisnes -Bande in Sicherheit zu bringen, war ein Kinderspiel gewesen. Später hatte er sie nach Hause geschafft. Vielleicht sollte er sie lieber woanders verstecken, jetzt, da die Bullen erneut schnüffelten.

    Aber Rafi hatte noch eine andere Idee.

    Er kannte den aktuellen Marktpreis nicht, aber er schätzte, dass ihn die fünfzehn Tüten wohlhabend machten, sobald er sie verkaufte.

    Rafi rollte den kleinen Teppich aus und begann zu beten. Er rief Allah an, damit es Noureddine im Jenseits an nichts fehlen möge. Und er flehte um Rat, wie er mit den Neuigkeiten umgehen sollte, die der Bulle mit dem runden Schädel heute Vormittag gebracht hatte.

    Kein Kurde habe Noureddine getötet.

    Nicht Barat Öczelik.

    Die Bullen liegen falsch, sagte sich Rafi. Öczelik muss es gewesen sein.

    Sieben Tage nach Noureddines Tod hatte er den Mörder gerichtet. Er hatte Öczelik aufgelauert, ihn erschossen und in einem Baggersee nahe der Autobahn bei Neuss versenkt – den Fall nicht den Behörden zu überlassen, war für Rafi Ehrensache gewesen.

    Er verneigte sich, doch das Gebet, das ihm sonst Kraft gab, half diesmal nicht weiter.

    Rafi schob den Teppich und die Tasche mit dem Heroin zurück unter das Bett und setzte sich an seinen Laptop. Klopfenden Herzens besuchte er die Internetadressen, die ihm Said und Yassin aufgeschrieben hatten. Die erste Homepage zitierte ein Heldengedicht auf der Startseite.

    Bruder, erheb dich zum Kampf und nimm die Spitze ein.
Besinge den Sturm und das Sterben der Tapferen.
Nur so ist das Leben erstrebenswert!
Was ist ein Dasein unter Demütigung?
Was ist ein Leben unter Erniedrigung?

    Rafi klickte weiter und las einen Dialog, Fragen und die richtigen Antworten:

    Darf ein Muslim einen Ungläubigen zum Freund haben? – Nein, denn der Muslim würde negativ beeinflusst werden.
Kann Integration unser Ziel sein? – Nein, denn sie kommt der Anbetung Satans gleich.
Kann es Frieden mit den Ungläubigen geben? – Nein, denn ihre Regierungen begehen fortwährend Grausamkeiten der Umma gegenüber.

    Gibt es Unschuldige unter den Ungläubigen? – Nein, denn sie haben ihre Regierungen gewählt. Wir leben unter Feinden im Dar-al-Harb, im Haus des Krieges. Wir haben keine Wahl. Jedes Mittel ist recht. Der Dschihad ist Realität.

    Die Tür wurde aufgerissen. Rafi fuhr herum.

    Sein Vater war ins Zimmer getreten. Er trug noch immer seinen weißen Verkäuferkittel. Die fleischigen Wangen und die Spitzen seines Schnurrbarts bebten. »Wo warst du die ganze Zeit?«

    »In der Moschee.«

    »Und danach?«

    Rafi antwortete nicht.

    »Du hast mir im Laden gefehlt!«

    »Ich gehe nicht mehr dorthin.«

    »Und wer vertritt mich in den Sommerferien, wenn ich in die Heimat fahre?«

    »Ich bediene keine Ungläubigen mehr.«

    »Du hast deinem Vater zu gehorchen!«

    »Nicht, wenn es gegen Allahs Gesetze ist.«

    Sein Vater ballte die Fäuste und lief rot an. »Ich zeig dir gleich Allahs Gesetze!«

    Rafi wich nicht zurück. »Ich warne dich. Du ziehst den Kürzeren.«

    Der Alte schrie: »Verlass meine Wohnung! Ich will dich nicht mehr sehen!« Er marschierte hinaus und ließ die Tür ins Schloss krachen.

    Rafi begann zu zittern. Es dauerte ein paar Momente, bis er wieder klar denken konnte.

    Dann fielen ihm Yassin und Said ein. Sie hatten recht: Das Leben war nur die Aufnahmeprüfung für etwas viel Größeres.

    Er bewegte die Maus und klickte. Die Anleitung zum Bau

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