Sprengkraft
stützte sich auf Hiwas Schreibtisch und nickte in Richtung Nachbarzimmer: »Ich glaube, ich muss mal mit dem Besitzer dieses schönen Reisebüros ein vertrauliches Wort wechseln. Er sollte wissen, welche Zecke er sich da in seinen Laden gesetzt hat. Einen Junkie, ehemaligen Drogenschmuggler und Held der PKK. Dabei gäbe es so viele arabische Jungs, die dringend einen Job bräuchten.«
»Ich war nie Mitglied der PKK.«
»Scheiß drauf«, wiederholte Zander.
Hiwa schwieg. Die Kiefermuskeln des jungen Kurden arbeiteten.
»Und?«
»Azad«, sagte Hiwa leise.
»Azad wer?«
»Azad Barzani. Er war es, der den Draht zu euch Bullen hatte und Noureddine Bescheid gab.«
»Barzani kenn ich. Noch so ein PKK-Kader. Und nur er kennt unseren Maulwurf?«
»Richtig.«
»Dein Kumpel Barzani sitzt im Knast, Ulmer Höhe, und befindet sich im Hungerstreik, wie man hört.«
»Schlimme Haftbedingungen.«
»Wollen wir sie ihm erleichtern, Hiwa?«
»Du meinst, ich soll mit Azad reden?«
Die braune Tür ging auf, ein mittelalter, fetter Mann kam herausgewalzt und setzte sich grußlos an den zweiten Tisch.
Zander schnappte sich einen Reiseprospekt aus dem Ständer, ließ sich Hiwas Handynummer an den Rand schreiben und sagte laut: »Danke für die Beratung, Herr Kaplan, ich werde mir das Angebot durch den Kopf gehen lassen.«
Zur Bismarckstraße im Stadtzentrum war es nur ein Katzensprung. Hier logierte das Anwaltsbüro, in dem Halima arbeitete. Zander parkte und griff sich erneut den Schlüsselbund.
Deutsche Namen auf dem Kanzleischild: Schmitz, Brothaus, Rechtsanwälte.
Zander klingelte und drückte beim Summton die Tür auf. Im Treppenhaus roch es nach Putzmitteln, abgewetztes Linoleum bedeckte die Stufen. Nicht die beste Adresse, aber es muss auch Rechtsverdreher für das normale Volk geben, sagte sich Zander.
Die Frau am Empfang ließ ihn warten. Zander musste stehen – keine Sessel, keine Zeitschriften.
Endlich kreuzte ein mittelalter Typ in Jeans und Pullover auf, kein Südländer. Jungenhafte Stimme, die leicht kiekste: »Herr Zander?«
Dienstausweis unter die Nase. »Ich wollte eigentlich mit Frau Boussoufa sprechen.«
»Ich leite die Kanzlei, Jürgen Brothaus ist mein Name. Halima hat bereits heute Morgen ihre Aussage gemacht. Sie lässt ausrichten, dass sie nicht mit Ihnen reden will.«
»Arbeitet bei Ihnen auch ein Anwalt namens Sükrü?«
»Nein.«
»Warum hat nicht jemand aus Ihrer Kanzlei Halima und ihre Schwägerin ins Präsidium begleitet?«
Der Jeanstyp zuckte mit den Schultern. »Weil sich die Familie für einen anderen Rechtsbeistand entschieden hat.«
Zander trat einen Schritt auf den Anwalt zu. »Unter uns, Herr Brothaus. Steckt Ihre Mitarbeiterin mit den Terroristen unter einer Decke oder schweigt sie, weil ihre Familie Druck auf sie ausübt?«
Der Jeanstyp wich zurück. »Angesichts des Tons, den Sie anschlagen, würde ich Halima ebenfalls raten, die Aussage zu verweigern.«
»Kommen Sie mir nicht mit diesem Anwaltsscheiß, Brothaus. Sagen Sie Ihrer Angestellten, dass sie ihre Sippe mal für einen Moment vergessen soll. Dass kein Boussoufa etwas erfährt, wenn sie mir verrät, was es mit diesen zwei Schlüsseln auf sich hat.« Zander drückte dem Anwalt die Schlüssel in die Hand. »Ich warte hier. Reden Sie ihr ins Gewissen. Oder wollen Sie, dass morgen die nächste Bombe hochgeht?«
Nach zehn Minuten kehrte der Anwalt zurück und setzte zu einer Erklärung an: »Halimas Eltern sind verständlicherweise sehr erschüttert über den Verlust ihres Sohnes, deshalb …«
»Fassen Sie sich kurz, Brothaus.«
»Die Familie fürchtet, man könne sie abschieben. Meiner Meinung nach ist die Sorge unbegründet, aber die Eltern haben Halima dazu verdonnert, nicht mit der Polizei zu reden.«
»Und die Schlüssel?«, fragte Zander ungeduldig.
Brothaus gab ihm den Bund zurück und senkte die Stimme. »Im Kellerraum der Eltern steht ein Schrank. Es ist die zweite Kellertür auf der rechten Seite.«
»Sie sind echt der erste Scheißanwalt, der zu etwas nutze ist.«
»Sie mich auch, Herr Kommissar.«
Zander lachte und lief die Treppe hinunter.
Vor dem Chez Chef wurde gerade eine Lücke frei. Es dämmerte und das marokkanische Lokal warf Licht auf den Bürgersteig. Drinnen saßen zwei Opas und würfelten.
Daneben die Haustür, unverschlossen.
Terrorverdacht, Gefahr im Verzug – das geht jetzt auch ohne richterlichen Beschluss, dachte Zander und
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