Sprengkraft
lief die Treppe hinunter. Mit dem ersten Schlüssel ließ sich der Kellerzugang des Hauses öffnen.
Bretterverschläge links und rechts. Zander stieß sich den Kopf an der niedrigen Decke und fluchte. In gebückter Haltung tastete er sich weiter vorwärts. Es stank nach Moder. Der Schlüssel passte auch in das Schloss des zweiten Kabuffs rechts – der Raum der Boussoufas, wie von dem Jeans-und-Pullover-Anwalt beschrieben. Zander fand einen Drehschalter. Die Röhre an der Decke summte und spendete ein wenig Licht.
Ganz hinten der Schrank. Zander musste Kartons und Koffer beiseite räumen. Spinnweben verfingen sich in seinem Gesicht. Er atmete Staub und unterdrückte den Hustenreiz.
In der Schranktür fand Schlüssel Nummer zwei das Loch, für das man ihn gemacht hatte.
Eine Reisetasche lag auf dem mittleren Einlegeboden.
Kein Zweifel, sie war es: goldene Louis Vuitton- Initialen auf braunem Leder – die Tasche, die Noureddine seinem kleinen Bruder vermacht hatte. Rafi hatte sie nicht in das Gästezimmer des Moscheevereins mitgenommen, sondern hier deponiert. Zander zog das Ding heraus und öffnete den Reißverschluss: Pistole, Reservemagazin und helles Pulver in prall gefüllten Klarsichtbeuteln. Zander zählte dreizehn Pakete und ging davon aus, dass der Beutelinhalt abgewogen war: jeweils eintausend Gramm.
Laut Hiwa hatte Rafi fünfzehn Kilo angeboten. Also fehlten zwei davon.
Zander untersuchte den Schrank. Im untersten Fach standen Behälter, die man ganz an die Rückwand geschoben hatte. Unterschiedliche Etiketten, teils französisch beschriftet. Warnhinweise – das Kleingedruckte konnte Zander im Dämmerlicht nicht entziffern. Auf dem dritten Kanister stand auf Deutsch: Wasserstoffperoxid.
Zander wusste Bescheid: ein starkes Oxidationsmittel. Zum Bleichen oder Desinfizieren. Man konnte aber auch Sprengstoff daraus fabrizieren.
Zander drückte die Nummer des Landeskriminalamts in die Tasten seines Mobiltelefons, stellte fest, dass er kaum Empfang hatte, und verließ den Verschlag der Boussoufas in Richtung Kellerausgang.
Er ließ sich mit der Dienststelle der Sprengstoffspezialisten verbinden, bekam Klaus Bisping in die Leitung und meldete seinen Fund. Bisping bat ihn, nichts anzufassen und zu warten. Es würde allenfalls fünfzehn Minuten dauern.
Zander kehrte zurück, setzte sich auf einen Umzugskarton, der unter ihm nachgab, und sah einer Spinne zu, die ein Regal erklomm.
Sein Handy spielte In-A-Gadda-Da-Vida – es war die Mailbox, die ihm meldete, dass eine neue Nachricht eingegangen war. Wieder musste er bis fast vor den Ausgang gehen, um sie abzuhören. Hiwas Stimme. Zander verstand nicht viel mehr als Ulmer Höhe und Azad Barzani.
Er rief den Kurden zurück.
»Bin ich schnell, oder was, Effendi?«, meldete sich Hiwa.
»Nur hab ich nicht verstanden, was du wolltest.«
»Azad gibt seine Infos nicht für umsonst. Kannst du erreichen, dass er Haftverschonung kriegt, Kronzeugenregelung oder so?«
»Du spinnst, Hiwa. Das würde nicht mal euer Allah für ihn hinkriegen.«
»Dann wird er nicht reden. Tut mir leid, ich hab’s probiert. Jetzt sind wir quitt, okay?«
»Warte.«
»Was denn?«
Zander spähte zur Stahltür hinaus – kein Mensch im Treppenhaus. Trotzdem senkte er die Stimme. »Ich habe etwas, was dreißigtausend Euro wert ist. Das sollte Azad weiterhelfen.«
»Klingt nach einem Kilo Heroin.«
»Ja oder nein?«
» Zwei Kilo, Effendi. Eins davon für mich, denn schließlich trage ich das ganze Risiko.«
Zander hielt das für einen fairen Deal und stimmte zu.
»Ich rede mit Azad«, versprach Hiwa.
»Tu das, mein Junge. Ich bin mir sicher, er wird unserem Rat folgen. Mit dreißigtausend Kröten kann er den Hungerstreik an den Nagel hängen. Angenehmere Haftbedingungen sind dann wohl kein Thema mehr.«
Zander hörte Schritte und beendete das Telefonat. Er rannte zurück in den Gang, stieß sich den Kopf noch heftiger als zuvor, betrat nach Luft ringend den Abstellraum der Boussoufas und stopfte je einen Rauschgiftbeutel in die linke und rechte Innentasche seiner Jacke.
Scheißegal, ob dreizehn oder elf Kilo in der Asservatenkammer landen würden.
Im Gang näherte sich jemand. Zander strich über seine Jacke und hoffte, dass sie nicht zu sehr ausbeulte. Dann wandte er sich um.
Bisping stand in der Tür und blickte ihn entgeistert an.
»Was gibt’s, Kollege?«, fragte Zander und fürchtete schon, er sei aufgeflogen.
»Du
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