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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Er schnaufte verächtlich. Als ich gekommen bin, war es genauso, dachte er.
    »Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst dich nicht auf diesen blöden Wurf verlassen«, rief Ray ihm lachend zu.
    »Halt die Klappe«, brummte Alan. Er versuchte es wieder mit beiden Kegeln zugleich und warf die Kugel ins Abseits.
    »Einige Leute«, sagte Ray kopfschüttelnd, »einige Leute lernen es nie. Kennen Sie-das? Einige Leute sind wie verna-gelt.«
    Die Town Line Tavern hatte eine große rote Neonreklame.
    Offenbar hatten die Besitzer noch nichts von der Energiekrise gehört. Sie flackerte mit gedankenloser Zuversicht immer wieder an und aus. Darunter hing ein weißes Schild mit der Ankündigung:

    HEUTE ABEND BEI UNS
    DIE FABULOUS OYSTERS
    DIREKT AUS BOSTON

    Rechts neben dem Gebäude befand sich ein planierter Parkplatz, der mit den Wagen der Samstagnacht-Schwärmer voll besetzt war. Er fuhr die Auffahrt entlang und entdeckte, daß der Platz sich L-förmig um die Taverne zog. Hinter dem Haus waren noch einige Plätze frei. Er stellte den Wagen so ab, daß neben ihm eine freie Lücke blieb, schaltete den Motor ab und stieg aus.
    Die Kälte erfaßte ihn erbarmungslos. Es war eine dieser Nächte, in denen man die Kälte erst spürt, wenn sie einem die Ohren innerhalb weniger Sekunden an der Luft taubgefroren hat. Über ihm funkelten Millionen Sterne, die in der Kälte besonders klar strahlten. Durch die Rückwand der Taverne hörte er die Fabulous Oysters ›After Midnight ‹ spielen.
    Das Lied hat J. J. Cale geschrieben, dachte er und wunderte sich, wo er diese nutzlose Information aufgegabelt hatte. Es war schon erstaunlich, mit wieviel Abfall sich das menschliche Gehirn im Laufe der Zeit füllte. Er konnte sich daran erinnern, wer ›After Midnight ‹ geschrieben hatte, aber das Gesicht seines verstorbenen Sohnes fiel ihm nicht mehr ein. Das kam ihm sehr grausam vor.
    Der blaue Lieferwagen fuhr neben seinen LTD; Alan und Ray stiegen aus. Beide hatten jetzt Geschäftsmienen aufgesetzt, sie trugen dicke Handschuhe und hatten schwere Armeeparkas an.
    »Sie haben das Geld dabei?« fragte Ray.
    Er zog den Umschlag aus seinem Mantel und reichte ihn hinüber. Ray machte ihn auf und blätterte die Noten durch.
    Er schien die Summe eher zu schätzen als zu zählen.
    »In Ordnung. Machen Sie den Kofferraum auf.«
    Er zog die hintere Wagenklappe hoch (in den Werbeprospekten von Ford wurde sie immer die ›Magische Tür‹ genannt), und die beiden schleppten eine schwere Holzkiste herüber und stellten sie hinten im Wagen ab.
    »Die Zündschnur liegt auf dem Boden«, erklärte Ray und stieß weiße Atemwolken aus der Nase. »Denken Sie daran, Sie brauchen Saft. Sonst können Sie die Dinger gleich als Geburtstagskerzen verwenden.«
    »Ich werde daran denken.«
    »Sie sollten mehr Bowling spielen. Sie haben einen ganz schön kräftigen Wurf.«
    Sie stiegen wieder in ihren Lieferwagen und fuhren los.
    Ein paar Minuten später fuhr er auch weg und überließ die Fabulous Oysters ihrem Schicksal. Seine kalten Ohren prickelten, als sie in der Heizungsluft langsam auftauten.
    Zu Hause angekommen, schleppte er die Kiste hinein und öffnete den Deckel mit einem Schraubenzieher. Das Zeug sah genauso aus wie Ray es ihm beschrieben hatte, wie graue Wachskerzen. Unter den Stäben und einer doppelten Lage Zeitungspapier fand er zwei dicke weiße Zündschnurrollen.
    Sie wurden von weißen Plastikclips zusammengehalten, die genauso wie diejenigen aussahen, mit denen er seine Müllbeutel verschloß.
    Er stellte die Kiste in den Wohnzimmerschrank und versuchte, nicht mehr an sie zu denken. Aber sie schien eine bösartige Strahlung zu verbreiten, die, ausgehend vom Schrank, nach und nach das ganze Haus erfaßte. So, als ob vor langer Zeit in dem Schrank etwas Unrechtes geschehen wäre, das jetzt langsam, aber sicher alles im Haus verdarb.

13. Januar 1974
    Er fuhr in die Innenstadt und klapperte auf der Suche nach Drakes Kaffeehaus alle Straßen ab. Alte, belegte Mietshäuser standen Schulter an Schulter am Straßenrand und sahen aus, als würden sie zusammenbrechen, wenn man ihre Nachbarn entfernte. Ein Wald von Fernsehantennen auf den Dächern, die sich wie zu Berge stehende Haare gegen den Himmel abhoben. Bars, die über Mittag geschlossen waren. Ein Auto-wrack in der Mitte einer Seitenstraße. Es hatte keine Reifen mehr, keine Scheinwerfer und kein Chrom. Es sah aus wie ein verblichenes Kuhskelett im Tal des Todes. In der Gosse glitzerten Glasscherben.

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