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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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annehmen.«
    »Warum nicht?«
    »Erinnern Sie sich noch daran, worüber wir gesprochen haben?«
    Er erinnerte sich. »Ich habe in der Richtung keine Pläne.«
    »Ich glaube doch. Ein Mann, der mit beiden Füßen auf dem Boden steht, gibt so viel Geld nicht einfach aus einer Laune heraus weg.«
    »Das ist keine Laune«, widersprach er fest.
    Drake musterte ihn scharf. »Wie würden Sie es dann nennen? Eine Zufallsbekanntschaft?«
    »Himmel, ich hab’ schon Leuten Geld gegeben, die ich nie in meinem Leben gesehen habe. Der Krebsforschung. Dem Kinderhilfswerk. Einer Muskelschwundklinik in Boston. Ich bin noch nicht einmal in Boston gewesen.«
    »So große Summen?«
    »Nein.«
    »Und noch dazu in bar, Mr. Dawes. Ein Mann, der für sein Geld noch Verwendung hat, will es nicht sehen, wenn er es ausgibt. Er bezahlt mit Schecks oder unterschreibt irgendwelche Papiere. Selbst beim Pokerspielen benutzt er Chips.
    Es ist sozusagen symbolischer. Ein Mann, der in unserer Gesellschaft keine Verwendung für sein Geld mehr hat, hat auch keine Verwendung mehr für sein Leben.«
    »Das ist eine verdammt materialistische Einstellung für einen …«
    »Einen Priester? Ich bin kein Priester mehr. Nicht mehr, seitdem das hier passiert ist.« Er hielt seine vernarbte rechte Hand in die Höhe. »Soll ich Ihnen sagen, wie ich das Geld zusammenbringe, um das Kaffeehaus in Gang zu halten? Wir sind für diese Schaufensteraktionen der öffentlichen Wohltätigkeit zu spät gekommen. Für den sozialen Staatsfond genauso wie für die städtische Förderung. Die Leute, die hier arbeiten, sind nicht mehr berufstätig. Alte Leute, die die Kinder, die hierherkommen, zwar nicht verstehen, die aber auch nicht einfach nur ein Gesicht sein wollen, das sich im dritten Stock aus dem Fenster lehnt und den ganzen Tag die Straße beobachtet. Ich hab’ hier ein paar Jugendliche auf Bewährung, die für jeden Freitag und Sonnabend eine Band aufgabeln. Die Bands spielen umsonst, aber sie haben so die Möglichkeit, sich der Öffentlichkeit vorzustellen. Wir lassen dann den Hut rumgehen. Aber die meisten Moneten kommen von den Reichen, den oberen Zehntausend. Ich gehe auf Tour, halte meine Reden auf den Teegesellschaften der reichen Ladys. Ich erzähle ihnen von den Kindern auf der Straße und den Rauschgiftsüchtigen, die nachts unter den Brücken schlafen und sich Lagerfeuer aus Zeitungspapier anzünden, um im Winter nicht zu erfrieren. Ich berichte ihnen von dem fünfzehnjährigen Mädchen, das schon seit 1971 auf der Straße lebt und eines Tages zu mir kam. Sie hatte dicke weiße Läuse auf dem ganzen Kopf und in ihrem Schamhaar. Ich erzähle ihnen von der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten in Norton und von den Fischern. Das sind Männer, die sich in den Busbahnhöfen rumtreiben und Jungen auflesen, die von zu Hause weggelaufen sind und die sie dann als Strichjungen anheuern. Ich beschreibe ihnen genau, wie diese Jungen in den Kinotoiletten für zehn Dollar Männer mit dem Mund befriedigen. Wenn sie versprechen, den Samen zu schlucken, bekommen sie fünfzehn Dollar. Fünfzig Prozent sind für sie, fünfzig Prozent kriegen ihre Zuhälter. Und diese Frauen bekommen ganz nasse Augen und schmelzen dahin, und ich wette, ihre Schenkel werden ganz feucht und schlüpfrig, aber sie werden spendabel, und das ist die Hauptsache. Manchmal kann man sich an eine ranhängen, und es kommt mehr dabei heraus als nur eine Zehndollarspende. 
    Sie lädt dich dann zum Abendessen in ihr Haus in Crescent ein, stellt dich ihrer Familie vor und bittet dich, das Dankgebet zu sprechen, sobald das Hausmädchen den ersten Gang aufgetragen hat. Und du betest, egal wie bitter dir die Worte im Mund schmecken, und du streichst dem Kind des Hauses über den Kopf - es ist immer bloß ein Kind da, Mr. Dawes, nur eines. Sie vermehren sich nicht so wie die lästigen Kaninchen hier in Norton, die den ganzen Stall voller Kinder haben. - Und dann sagst du, was für einen prachtvollen jungen Mann wir doch da haben oder was für ein hübsches Mädchen, und wenn du Glück hast, hat die Lady ihre Freundinnen aus dem Bridgeclub oder aus dem Countryclub eingeladen, um sich so einen komischen Straßenpriester einmal anzusehen, der mit größter Wahrscheinlichkeit die Radikalen unterstützt und den Schwarzen Panthern und der Arabischen Befreiungsfront Gewehre liefert. Sie wollen sehen, wie er seine Pater-Brown-Rolle spielt, vielleicht noch ein bißchen vom alten Blarney hinzufügt und lächelt, bis

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