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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auch die Crestallen Street West mit ein. In gewisser Weise entbehrte die Sache nicht der Ironie. Wenn Mary und er nur eine Meile weiter außerhalb der Stadt gewohnt hätten, wäre ihr Haus nicht vor dem Frühling demoliert worden - vielleicht Ende Mai, Anfang Juni 1974. Und wenn Wünsche Pferde wären, würden alle Bettler hoch zu Roß daherkommen. Was er aber durch seine bewußte Beobachtung noch wußte, war, daß die meisten Baumaschinen genau an dem Punkt abgestellt worden waren, an dem sie die Grand Street gekillt hatten.
    Beim Abbiegen scherte der Wagen hinten aus. Er steuerte gegen und redete dem Wagen gut zu, der einen kleinen Satz machte und dann mit gleichmäßigem Surren wieder geradeaus durch den fast jungfräulichen Schnee fuhr die Fahrspuren der Fahrzeuge, die vor ihm hier vorbeigekommen waren, waren verwischt und fast nicht mehr zu sehen. Bei dem Anblick von so viel Neuschnee fühlte er sich gleich wohler. Es war gut, in Bewegung zu sein, endlich etwas zu tun.
    Als er langsam mit dreißig Stundenkilometern (er hatte keine große Eile) die Straße entlangfuhr, wanderten seine Gedanken zu Mary und zu der katholischen Auffassung von Sünde zurück. Läßliche Sünden und Todsünden. Mary war katholisch erzogen worden und als Kind in eine kirchliche Grundschule gegangen. Die meisten dieser religiösen Vorstellungen hatte sie - zumindest vom Verstand her - als Erwachsene aufgegeben, aber als sie sich damals begegnet waren, hatte das Zeug ihr noch tief in den Knochen gesteckt - das, was einem sozusagen mit der Muttermilch eingetrichtert wurde. Mary sagte immer, die Nonnen hätten ihr sechs Schichten Politur und drei Schichten Wachs aufgelegt. Nach ihrer Fehlgeburt hatte ihre Mutter ihr einen Pfarrer ins Krankenhaus geschickt, damit sie eine richtige Beichte ablegen könnte, und bei seinem Anblick war sie in Tränen ausgebrochen. Er hatte neben ihrem Bett gesessen, als der Pfarrer mit seinen Hostien ins Zimmer getreten war, und Marys Tränen hatten ihm das Herz zerrissen, was seitdem nur noch einmal wieder passiert war.
    Er hatte sie einmal gebeten, ihm die Sünden zu nennen, und sie hatte ihm die ganze vollständige Liste heruntergeleiert, die läßlichen und die Todsünden. Obwohl sie ihren Katechismus vor zwanzig, fünfundzwanzig, ja dreißig Jahren gelernt hatte, war er ihr immer noch (wenigstens in seinen Augen) fehlerfrei und vollständig präsent. Es gab da eine Frage der Auslegung, die er nicht ganz verstehen konnte. Manchmal war eine Sache eine Todsünde, unter anderen Umständen aber läßlich. Es kam dabei wohl auf die geistige Verfassung des Sünders an. Das Bewußtsein tut das Böse. War das etwas, das sie damals während ihrer lange Diskussionen gesagt hatte, oder hatte Freddy ihm das gerade eingeflüstert?
    Der Gedanke bereitete ihm Sorgen. Das Bewußtsein tut das Böse.
    Schließlich glaubte er verstanden zu haben, was die beiden größten Sünden waren, die beiden schweren, unwiderruflichen Todsünden: Mord und Selbstmord. Aber bei einer späteren Unterhaltung - war es mit Ron Stone gewesen? er glaubte ja - war ihm selbst dies nicht mehr ganz klar. Ron hatte gemeint, daß Mord manchmal auch nur eine läßliche Sünde sein könnte. (Sie hatten zusammen ein Bier getrunken, und es kam ihm so vor, als wäre es schon zehn Jahre her.) Oder unter gewissen Umständen auch gar keine. Wenn man einen Kerl kaltblütig ermordete, der die eigene Frau vergewaltigt hatte, könnte das sicher als läßliche Sünde gelten.
    Und wenn man jemanden in einem gerechten Krieg tötete - genau das waren Rons Worte gewesen, er konnte ihn noch genau wie damals hören, als hätte er eine Tonbandaufzeich-nung im Gehirn -, dann galt das überhaupt nicht als Sünde.
    Ron glaubte, daß alle amerikanischen GIs, die Nazis und Jap-sen umgebracht hatten, am Tag des Jüngsten Gerichts gut dastehen würden.
    Blieb noch Selbstmord. Dieses häßliche Wort.
    Er kam jetzt zur Baustelle. Sie war mit schwarzweißen Sägeböcken abgesperrt, auf denen orangefarbene Lampen blinkten. Große organgefarbene Schilder mit schwarzer Aufschrift leuchteten im Schein der Lampen auf. Auf einem stand:

    DIE STRASSE ENDET VORÜBERGEHEND HIER

    Auf dem nächsten:

    UMLEITUNG - FOLGEN SIE DEN HINWEISSCHILDERN

    Und auf einem anderen:

    SPRENGGEBIET! 
    SCHALTEN SIE IHRE FUNKGERÄTE AUS

    Er fuhr an die Seite, schaltete das Getriebe auf Leerlauf und die Warnblinkanlage ein und stieg aus dem Wagen. Dann ging er zur Absperrung hinüber. Die Schneeflocken

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