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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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verstreuen würde. Niemals. Das würde er nie zulassen. Auf diesen Böden war Charlie herumgekrochen. Im Wohnzimmer hatte er seine ersten Schritte gelernt. Er war einmal von den Stufen vor der Haustür heruntergefallen und hatte seine Eltern damit fast zu Tode erschreckt. Charlies Zimmer war jetzt eine Art Arbeitszimmer im ersten Stock, aber es war trotzdem noch der Raum, in dem er seine ersten Kopfschmerzen bekommen, in dem er zum ersten Mal doppelt gesehen und diese seltsamen Gerüche wahrgenommen hatte. Manchmal wie Schweinebraten, dann wie verbranntes Gras, manchmal auch die Schnipsel vom Spitzen eines Bleistifts. Als Charlie gestorben war, waren über hundert Leute kondolieren gekommen, und Mary hatte sie in diesem Wohnzimmer mit Kaffee und Kuchen bewirtet.
    Nein, Charlie, dachte er, nicht, wenn ich es verhindern kann.
    Er zog das Garagentor auf und stellte fest, daß schon gut zehn Zentimeter Schnee in der Auffahrt lagen, Pulverschnee. Er stieg in den LTD und ließ den Motor warmlaufen. 
    Der Tank war noch zu Dreiviertel voll. Während er in dem mysteriösen grünen Licht der Blinklämpchen vom Armaturenbrett saß, mußte er an Arnie Walker denken. Nur die Länge eines Gartenschlauchs, das war gar nicht so schlimm.
    Es wäre genauso, als würde man einschlafen. Er hatte mal irgendwo gelesen, daß eine Kohlenmonoxidvergiftung wie Einschlafen wäre. Es brachte einem sogar die Farbe ins Gesicht zurück, so daß man rosig und gesund aussah, voller Vitalität und Leben. Es …
    Er schauerte zusammen, als wäre ihm sein eigener Geist begegnet. Er schaltete die Heizung ein. Als der Motor gleichmäßig lief und er zu zittern aufgehört hatte, legte er den Rückwärtsgang ein und setzte den Wagen zurück in den Schnee. Er konnte das Benzin in Marys Putzeimer glucksen hören, und das erinnerte ihn daran, daß er etwas vergessen hatte.
    Er stellte den Wagen ab und ging noch mal ins Haus zurück. In der Schreibtischschublade fand er ein Paket Streichhölzer und packte seine Manteltaschen mit gut zwanzig Heftchen voll. Dann lief er wieder nach draußen.
    Die Straße war sehr glatt.
    An manchen Stellen befanden sich blanke Eisplatten unter dem Schnee, und als er vor der Ampel an der Crestallen-Garner-Kreuzung bremste, stellte der LTD sich quer. Als er den rutschenden Wagen abgefangen hatte, schlug sein Herz wie wild gegen seine Rippen. Das war wirklich ein verrücktes Unterfangen. Wenn er mit all dem Benzin einen Unfall baute, könnte man ihn nur noch mit einem Löffel von der Straße abkratzen und seine Überreste in einer Hundefutterschachtel begraben.
    Besser als Selbstmord. Selbstmord ist eine Todsünde.
    Reverenz an die Katholiken. Aber er glaubte nicht, daß es zu einem Unfall kommen würde. Es waren so gut wie keine Autos auf den Straßen, und er sah auch weit und breit keine Bullen. Die saßen wohl zusammengepfercht wie die Hühner in den Nebenstraßen in ihren Autos. 
    Er bog vorsichtig auf die Kennedy-Promenade ein, die für ihn wohl immer die Dumont Street bleiben würde. So hatte die Straße bis Januar 1964 geheißen, als der Stadtrat in einer Sondersitzung beschlossen hatte, sie umzubenennen. Die Dumont-Kennedy-Promenade führte vom Westend direkt in die Stadtmitte und lief gut zwei Meilen parallel zur neuen 784-Autobahn. Er blieb etwa eine Meile auf ihr und bog dann in die Grand Street ab. Eine halbe Meile weiter hörte die Straße plötzlich auf, ausgelöscht so wie das Grand Theatre selbst, möge es in Frieden ruhen. Im nächsten Sommer würde man die Grand wieder zum Leben erwecken, dann in Form einer Überführung (eine von den dreien, die er Magliore gegenüber erwähnt hatte), aber es würde nie wieder die alte Straße sein. Anstelle des Kinos sah man dann zur Rechten nur sechs - oder waren es acht? - dicht befahrene Fahrspuren unter sich. Er hatte sich durch das Fernsehen und die Tageszeitung eine Menge Informationen über die Baustelle angeeignet, aber nicht etwa bewußt, es war eher durch eine Art Osmose geschehen. Vielleicht sammelte er das Material ebenso instinktiv wie ein Eichhörnchen seinen Nußvorrat für den Winter. So wußte er zum Beispiel, daß die Baufirmen, die bei der Stadt unter Vertrag standen, ihre Hauptarbeiten für den Winter fast abgeschlossen hatten und daß sie alle notwendigen Demolierungen (das war’ doch mal ein Wort für dich, Freddy, Demolierungen! - aber Freddy nahm das Stichwort nicht auf) innerhalb der Stadtgrenzen bis Ende Februar beendet haben würden. Das schloß

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