Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
brusthohen Rädern daher, und das Dröhnen des Dieselmotors hämmerte wie der Meißel eines Bildhauers, der eine Skulptur aus einem unförmigen Block herausschlägt, in die kühle, silbrige Morgenluft.
    Ein Mann mit einem gelben Sturzhelm lotste ihn über den Randstein auf den Parkplatz hinauf; oben in der Kabine konnte er einen zweiten Mann erkennen, wie er die Gänge wechselte und die Kupplung mit seinem großen, klobigen Fuß betätigte. Aus dem Schornstein pufften braune Rauchwolken empor.
    Seit er seinen Wagen drei Blocks entfernt geparkt und hierhergelaufen war, hatte ihn ein eigenartiges, schleichendes Gefühl befallen, das er sich nicht ganz erklären konnte. Als er jetzt beobachtete, wie der Kran vor dem alten Ziegelsteinbau direkt in der früheren Ladezone hielt, wurde es ihm plötzlich klar. Es war, als käme man zum letzten Kapitel eines Romans von Ellery Queen, in dem alle Hauptpersonen versammelt sind, um den Hergang des Verbrechens erklärt zu bekommen, bis der Schurke entlarvt wird. Gleich würde jemand - höchstwahrscheinlich Steve Ordner-aus der Menge heraustreten, mit dem Finger auf ihn zeigen und Der ist es! Bart Dawes! Er hat das Blue Ribbon umgebracht! brüllen. Dann würde er seine Pistole ziehen, um den Rächer zum Schweigen zu bringen, statt dessen aber selbst von Polizeikugeln durchlöchert werden.
    Die Vorstellung verwirrte ihn. Er blickte die Straße hinunter, um sich zu beruhigen, aber sein Magen sank einen Stock tiefer, als er plötzlich Ordners flaschengrünen Delta 88 entdeckte, der mit laufendem Motor direkt hinter der gelben Absperrung stand. Steve Ordner musterte ihn ruhig durch die polarisierten Gläser seiner Brille.
    In diesem Augenblick schwang die Stahlkugel in einem flachen, kreischenden Bogen, und die Menge stieß einen Seufzer aus, als sie gegen die Ziegelmauer traf und mit dem hohlen, donnernden Detonationsgetöse einer Kanonenkugel hindurchschlug.
    Um vier Uhr am Nachmittag war vom Blue Ribbon nur noch ein unordentlicher Haufen aus Glas und Ziegelbrocken übrig, aus dem die ehemaligen, jetzt zerschmetterten Stützbalken wie das Skelett eines ausgegrabenen Dinosauriers herausragten.
    Was er später tat, geschah, ohne daß er sich Gedanken darüber machte, was für Folgen es haben könnte. Er befand sich dabei in einem ähnlichen Geisteszustand wie einen Monat zuvor, als er die Gewehre in Harveys Waffengeschäft gekauft hatte. Nur brauchte er jetzt nicht mehr die Sicherung herauszudrehen. Freddy sagte nichts mehr.
    Er fuhr zur Tankstelle und ließ den LTD volltanken. Der Himmel hatte sich im Laufe des Tages bewölkt, und im Radio wurde ein Schneesturm angekündigt - fünfzehn bis zwanzig Zentimeter Neuschnee. Er kam nach Hause, stellte den Wagen in der Garage ab und ging in den Keller hinunter.
    Unter der Treppe standen zwei große Kartons voller leerer Soda- und Bierflaschen, die mit einer zentüneterdicken Staubschicht bedeckt waren. Einige der Flaschen waren wohl schon über fünf Jahre alt. Selbst Mary mußte sie während des letzten Jahres vergessen haben, denn sie hatte aufgehört, ihn zu drängen, er solle sie endlich zum Laden zurückbringen.
    Die meisten Geschäfte nahmen heute ja sowieso keine Pfandflaschen mehr an. Gebrauchen und wegwerfen war die Devise. Zum Teufel damit.
    Er stellte einen Karton auf den anderen und trug sie zur Garage hinauf. Als er in die Küche ging, um ein Messer, Marys Trichter und ihren Putzeimer zu holen, hatte es zu schneien angefangen.
    Er drehte das Garagenlicht an und holte den grünen Gartenschlauch vom Nagel, wo er seit der dritten Septemberwoche gehangen hatte. Er schnitt die Düse ab, die mit einem unbedeutenden Klick auf den Zementfußboden fiel. Dann maß er zirka drei Fuß ab und schnitt ihn noch mal durch. Den Rest stieß er mit dem Fuß zur Seite und betrachtete das Stück, das er in der Hand hielt, einen Augenblick nachdenklich. Er schraubte die Benzinkappe vom Tank und ließ den Schlauch sanft wie ein zärtlicher Liebhaber hineingleiten.
    Er hatte schon öfter beim Benzinabsaugen zugesehen und kannte das Prinzip, aber er hatte es noch nie selbst ausprobiert. Jetzt wappnete er sich innerlich gegen den Geschmack und sog dann an dem einen Schlauchende. Einen Augenblick spürte er nur eine unsichtbaren Widerstand, doch plötzlich füllte sein Mund sich mit einer so kalten und fremdartigen Flüssigkeit, daß er sich sehr beherrschen mußt, um nicht nach Luft zu schnappen und das Zeug aus Versehen runterzuschlucken. Er zog eine

Weitere Kostenlose Bücher