Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spring in den Himmel

Spring in den Himmel

Titel: Spring in den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kinskofer
Vom Netzwerk:
irritiert an. »Woher willst du das wissen?«
    »Yoyo hat es gesagt. Er hat doch nichts mehr gefressen.«
    »Aber deshalb musst du ihn doch nicht …«
    Jamina wollte ›töten‹ oder ›umbringen‹ sagen, aber sie ließ es lieber, als sie sah, dass Rafik nicht aufhören konnte zu weinen.
    »Tiere darf man nicht leiden lassen.«
    »Das hat wohl auch Yoyo gesagt.«
    Rafik nickte ernst und wischte sich die Tränen ab.
    Jamina konnte es nicht fassen. Hatte Yoyo wirklich ihren kleinen Bruder dazu angestiftet, den Hamster zu töten? Oder hatte Rafik da etwas falsch verstanden?
    »Yoyo hat doch sicher nicht gesagt, dass du Spiderman aus dem Fenster werfen sollst.«
    »Sie hat gesagt, das tut nicht weh. Weil man für einenkurzen Moment denkt, dass man in den Himmel fliegen kann.«
    Jamina glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen.
    »Sie hat gesagt, das tut Spiderman nicht weh?«
    »Nein, aber sie hat mir erzählt, dass sie schon mal gesprungen ist, von einem hohen Turm. Und dass das total toll war. Da war ein Seil, deshalb ist sie nicht auf den Boden gefallen …«
    Yoyo hatte also von dem Bungee-Sprung erzählt. Für einen Augenblick kam dieses Gefühl wieder in ihr hoch. Miteinander verbunden sein, gemeinsam ein schwieriges Abenteuer bestehen, einander vertrauen, etwas erleben …
    »Aber Spiderman hatte kein Seil, Rafik.«
    Rafik sagte nichts. Er starrte auf den leeren Käfig.
    »Er wollte sterben.«
    So hab ich das nie gesagt, Jamina. Da hat mich Rafik total missverstanden. Ich hab nur erwähnt, dass sein kleiner Hamster leidet und dass man Tiere nicht leiden lassen darf. Kann ich wissen, dass er ihn dann umbringt?
    Jamina beendete das Gespräch. Es war ein Fehler gewesen, Yoyo gleich anzurufen und sie zur Rede zu stellen. War doch klar, dass sie damit überhaupt nichts zu tun haben wollte. Spielte sowieso keine Rolle, was die dazu sagte. Jamina musste sich jetzt um Rafik kümmern, dem allmählich aufging, was er getan hatte, und der schluchzend vor der Kiste mit dem Hamster hockte.
    Das Handy klingelte, noch mal Yoyo. Jamina drückte den Anruf weg. Sie konnte jetzt nicht mit ihr reden. Ob die eigentlich wusste, was sie Rafik angetan hatte?
    Die Eltern sahen betroffen auf den Schuhkarton. Rafik hatte ihn inzwischen mit Stoffresten ausgekleidet. Er hatte auch ein paar Blätter von Zimmerpflanzen hineingetan, eine Blüte vom Weihnachtskaktus, der fünf Monate zu spät dran war. Und Futter.
    »Wenn er doch wieder wach wird, dann hat er bestimmt Hunger.«
    »Er wird nicht mehr wach, Rafik«, sagte Jamina leise und biss sich gleich auf die Lippen.
    »Aber es ist eine gute Idee, Rafik«, lobte die Mutter.
    »Ja, das hast du ganz schön gemacht«, ergänzte der Vater, nahm seinen Sohn auf den Arm und lächelte ihm zu.
    »Jetzt gehen wir in den Park und buddeln ein Grab für deinen Hamster.«
    »Aber es regnet!«, wandte die Mutter ein.
    »Das ist uns Männern doch egal«, meinte der Vater und Jamina verdrehte die Augen.
    »Alle müssen mitkommen!«, befahl Rafik, aber die Mutter schüttelte den Kopf.
    »Ich glaube, das ist wirklich Männersache«, sagte sie und warf einen ironischen Blick auf ihren Mann.
    Jamina war froh, dass ihr Spidermans Beerdigung erspart blieb. Sie war sicher, es würde noch viele Tränen geben. Und Rafik würde vermutlich erst dann begreifen,dass es ein endgültiger Abschied war, wenn die Erde auf den Schuhkarton fiel.
    Andererseits befürchtete sie, dass ihre Mutter die Sache nicht auf sich beruhen lassen würde. Und so war es auch.
    »Wir müssen reden, Jamina. Willst du Kakao?«
    So saßen sie in der Küche und sahen sich schweigend an. War da ein Vorwurf im Blick der Mutter? Aber warum? Es war doch nicht ihre Schuld.
    »Ich weiß nicht, warum er das getan hat, Mama.«
    »Wie kommt er auf so eine Idee?«
    »Er dachte offenbar, der Hamster ist krank.«
    »Selbst wenn, deshalb muss er ihn doch nicht gleich töten!«
    Sollte sie der Mutter erzählen, wie Rafik auf den Gedanken gekommen war? Oder würde sie Yoyo damit in ein schlechtes Licht rücken? Vielleicht war doch alles nur ein großes Missverständnis. Trotzdem war es idiotisch, einem kleinen Jungen zu sagen …
    »Jamina, dich bedrückt doch was.« Die Mutter holte sie in die Realität zurück.
    »Klar, es macht mir was aus, dass Rafik so traurig ist.«
    »Steckt da noch irgendwas anderes dahinter? Etwas, das ich nicht weiß?«
    Jamina wollte den Verdacht nicht aussprechen, der durch ihren Kopf geisterte: dass Yoyo an diesem Unglück schuld war.

Weitere Kostenlose Bücher