Spring in den Himmel
Grammatik, sie war richtig gut, sie redeten nur noch Französisch miteinander, mit Händen und Füßen, mit fantastischen neu erfundenen Wörtern. Gemeinsam lasen sie die langweilige Schullektüre, Yoyo spielte einzelne Szenen daraus und Jamina lachte wie schon lange nicht mehr.
Ihr fiel gar nicht auf, wie die Zeit verging.
»In zehn Minuten gibt es Essen«, kündigte Jaminas Mutter an.
Yoyo stand auf und packte ihre Sachen.
»Du wirst doch jetzt nicht gehen!« Jamina war ziemlich irritiert.
»Stimmt, du wolltest mich ja noch einiges fragen.«
Jamina überlegte. Das letzte Mal war Yoyo ihr ausgewichen, jetzt aber kam sie offen auf sie zu. »Was willst du wissen?«
»Wie heißt du und wo wohnst du?«
Yoyo grinste breit. »Ich bin Yoyo und wohne in einer WG in Schwabing.«
»Offiziell bist du Friederike Heidenbach.«
Ich will's einfach noch mal von ihr hören, dachte Jamina.
»Genau, das wirst doch hoffentlich nicht vergessen haben.«
»Wo gehst du zur Schule?«
»In Grünwald, da ist auch die Villa meines Vaters.« Yoyo sah sie auffordernd an. »Los, nächste Frage.«
»Ich weiß nicht recht … mir fällt gerade gar keine ein.«
Yoyo lachte laut. »Blackout – das kenn ich.«
Jamina lachte mit, doch sie verstand die Welt nicht mehr. Wenn diese Fragen so einfach zu beantworten waren, wieso hatte Yoyo es bisher nicht gemacht? Und hieß sie nun tatsächlich Friederike Heidenbach? Und wenn nicht, stimmte dann alles andere auch nicht?
»Weißt du, manchmal hab ich das Gefühl, ich kenn dich total, und dann wieder hab ich so viele Fragen, da weiß ich gar nicht, wer du bist.«
Yoyo nickte, als würde sie verstehen. »Geht mir mit dir genauso. Jetzt bist du die Jamina, die ich kenn. Aber wenn du mich auf einmal so misstrauisch anschaust … dann denk ich: Das ist doch nicht dieselbe Person!«
Sie hockten nebeneinander auf dem Boden. Yoyo schlug ein paar Akkorde auf Alexanders Gitarre an, summte dazu.
»Also, letzte Gelegenheit, bevor ich abhau: Was willst du wissen?«
Jamina ging ihre vielen Fragen durch und merkte: Auf einmal waren sie alle nicht mehr wichtig. »Du erzählst nicht gern über dich, oder?«
Yoyo schlug einen schrägen Akkord an, dann musterte sie Jamina.
»Erzählst du gern alles? Zum Beispiel deinen Eltern?«
Jamina wandte den Blick ab. Sie wollte längst mitihnen über das Geld von Herrn Kamke reden. Aber sie hatte es immer noch nicht getan.
Yoyo stellte die Gitarre weg, gab Jamina einen Kuss auf die Wange.
»Hey, du kannst alles wissen. Aber das meiste ist doch total langweilig. Wie mein Dad oder unser Haus oder meine Schule. Warum damit Zeit verplempern? Gibt doch Wichtigeres, oder?«
Als Yoyo gegangen war, fiel Jamina wieder ein, was sie noch fragen wollte. Der Flugzeugabsturz … Wie war das genau gewesen, wo und wann? Und sie hatte Yoyo den Artikel zurückgeben wollen. Dann die Sache mit dem Hamster … Sollte sie wirklich noch einmal nachfassen? Irgendwie war doch klar, dass es nur ein Missverständnis gewesen sein konnte, oder?
Nachdenklich sah sie zu ihrer neuen Musikanlage. Sie wollte Yoyo vertrauen. Sonst war diese ganze Freundschaft nichts wert.
Jamina nahm die Gitarre in die Hand und zupfte die Saiten. Ihre Gedanken wanderten von Yoyo zu Alexander. Was er wohl gerade machte? Wahrscheinlich lernte er fürs Abitur … Er würde erst wieder mehr Zeit für sie haben, wenn die Prüfungen vorbei waren. Aber vielleicht plante er ja auch eine große Urlaubsreise nach all dem Stress. Sie hatten nie darüber gesprochen, wie es weitergehen würde. Wollte er studieren – und wenn ja, blieb er dann in München? Jamina lächelte. Sie wusste auch über Alexander längst nicht alles. Nur war es ihr danie verdächtig erschienen. Alle Menschen hatten Geheimnisse – und sie war da keine Ausnahme.
Sie würde mit den Eltern reden wegen des gesparten Geldes. Und Yoyo würde ihr auch alles erzählen, wenn sie Lust dazu hatte. Alexander hatte doch recht: Ihre Nachforschungen waren unfair. Als ihre Freundin sollte sie Yoyo so akzeptieren, wie sie war. Und ihr vertrauen.
18. Kapitel
Jamina öffnete die Augen und ihr Blick fiel auf die Matratze, die an der Wand lehnte. Yoyos Matratze. Fast eine Woche war sie hier gewesen. Wie selbstverständlich war sie an einem Abend geblieben, hatte am Morgen mit der ganzen Familie gefrühstückt, war zur Schule gegangen – oder wohin auch immer.
»Brauchst du keine Bücher oder Hefte?«, hatte die Mutter gefragt und Yoyo hatte die Schultern
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