Spring in den Himmel
vor.
Ein Jüngling liebte ein Mädchen,
das hat einen andern erwählt,
der andre liebt eine andre,
und hat sich mit dieser vermählt.
Mac lachte laut. »Hey, das ist ja wie im richtigen Leben!«
»Ich habe doch gesagt, dass das Gedicht durchaus etwas mit Ihrer Realität zu tun hat«, freute sich Frau Meisinger.
»Mit meiner eher weniger, da müsste es um Essen und Trinken gehen«, widersprach Mac. »Aber wenn ich mich so umsehe … Sven will Sophia, Sophia will Merlin, Merlin will Jamina …«
»Klappe, du Idiot!'', fuhr Sven ihn an und Merlin verpasste Mac einen Faustschlag an den Oberarm. Mac aber ließ sich den Spaß nicht verderben und las das Gedicht unverdrossen zu Ende.
Es ist eine alte Geschichte,
doch bleibt sie immer neu;
und wem sie just passieret,
dem bricht das Herz entzwei.
Johlendes Gelächter aus der Klasse. Mac war seinem Ruf als Klassenclown mal wieder voll gerecht geworden.
»Krieg ich für meine Gedichtinterpretation jetzt 'ne Eins?«
Frau Meisingers resignierter Blick sprach Bände.
»Was willst du denn genau wissen?«, fragte Sophia, als sie sich in der Mittagspause von den anderen absonderten und an einen eigenen Tisch in der Kantine setzten.
»Ich bin ja nicht auf Facebook«, sagte Jamina. »Aber kann man da auch jemanden suchen?«
»Wen denn?«
Jamina mochte nicht zugeben, dass sie mehr über Yoyo herausfinden wollte. Aber vielleicht gab es die Chance, indirekt nachzuforschen.
»Eine WG in Schwabing.«
»Aha. Und warum?«
Jamina schwieg. Sollte sie lügen?
»Du hast einen Typ kennengelernt!«, tippte Sophia und Jamina widersprach nicht. Das war wohl die einfachste Lösung, wenn ihre Freundin das dachte.
»Weiß das dein Alexander?«
»Das hat nichts mit ihm zu tun!«
Sophia lachte nur, dann zog sie einen Zettel heraus. »Also: Was suchst du?«
»In der WG wohnen folgende Leute: Frank, Nils, Sarah und Konstanze.«
Sophia sah hoch und runzelte die Stirn: »Das ist ne echte Aufgabe, weißt du.«
»Und ich bin total froh, dass du mir hilfst.«
»Okay, wenn ich was rausfinde, sagst du mir dann auch, was wirklich hinter dieser Sache steckt?«
»Wie meinst du das?«, fragte Jamina, obwohl sie genau wusste, was Sophia meinte.
»Vielleicht geht es ja nicht um einen Typen, sondern um deine dunkle Freundin.«
Jamina stand auf und nahm ihr Tablett. »Weißt du was? Vergiss es einfach.«
Ethik stand auf dem Stundenplan, es ging um Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und all die Worte, die Jamina so gar nicht hören wollte. Von ihren Klassenkameraden teilte nur Mac mit ihr dieses Fach, alle anderen waren im Religionsunterricht. Während Mac heimlich Schokoriegel aß, dachte sie nach.
Was würde ihr helfen, Yoyo auf die Spur zu kommen? Wenn sie nur wüsste, in welche Schule sie ging! Konnte man einfach eine Schule anrufen und fragen, ob Friederike Heidenbach dort Schülerin war? Hundert Anrufe? Ob sie Auskunft bekommen würde? Sie wusste ja noch nicht einmal, ob der Name stimmte!
Sie hätte doch in Yoyos Seesack nach einem Ausweis suchen sollen. Das wäre sicher ein Vertrauensbruch gewesen und sie wäre sich total schäbig vorgekommen, aber sie hätte nun mehr Klarheit und Sicherheit.
»Eine Sache ist entweder wahr oder falsch – was meinen Sie dazu, Jamina?«
Sie sah den Ethiklehrer an, als wäre er von einem anderen Stern. Er grinste.
»Sie waren mit Ihren Gedanken ganz woanders. UndIhre Mimik ist so wahrhaftig, dass ich das sofort erkennen konnte.«
Alle lachten, Jamina wurde verlegen, aber sie antwortete: »Wenn man eine Sache von verschiedenen Seiten betrachten kann, dann gibt es auch unterschiedliche Wahrheiten.«
»Sagen das nicht nur die, die gerne lügen und diese Lügen als Teil der Wahrheit verkaufen wollen?«
»Von wem ist denn der Spruch: Die Wahrheit ist symphonisch?«
»Von Hans Urs von Balthasar«, antwortete der Lehrer, offenbar selbst stolz, dass er es wusste. Er machte eine Kunstpause, sah sich in der Klasse um. Nur Jamina sah ihn beeindruckt an. Seufzend, weil sein umfassendes Wissen so wenig gewürdigt wurde, fuhr er fort: »Aber das bedeutet nicht, dass es verschiedene Wahrheiten gibt, sondern dass die Wahrheit unterschiedliche Aspekte hat.«
»Das ist mir zu kompliziert«, sagte Mac. »Da bleib ich lieber beim Lügen.«
»So denken viele Leute«, erwiderte der Lehrer. »Aber das bringt uns hier nicht weiter.«
»Wenn ich die Wahrheit sage, dann krieg ich Prügel«, klagte Mac, der nach der Deutschstunde vorhin von Merlin
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