Spritzgebäck - Romantic Gay Comedy (German Edition)
und das Arbeitsmaterial stand gleich neben der Leinwand bereit.
»Das ist …« Tom sah noch mal durch den Saal, ging ein paar Schritte vor, um seinen Platz von den Tischen aus zu betrachten. Die Malecke war leicht schräg ausgerichtet, aber nicht direkt zur Saalmitte hin. Die Trennwand zum Saal wurde von einem luxuriösen Barockparavent verdeckt. Der Tannenbaum als Abschluss durfte selbstverständlich nicht fehlen. Aber er hatte so tatsächlich seinen eigenen Bereich. »Das ist perfekt!«
Gianluca nahm etwas Weißes in Plastikfolie vom Wagen mit den Malutensilien. »Ja, wir machen das nicht zum ersten Mal.« Er grinste. »Im Grunde sehen dich die Leute nur beim Rein- und Rausgehen – und natürlich, wenn sie so tun, als ob sie sich für Kunst interessieren würden. Hier!«
Tom betrat seine Ecke und nahm das Päckchen entgegen. »Was ist das?«
»Ein Kittel. Probier mal an.«
Tom riss die Folie auf und schüttelte den Leinenstoff aus. Dann schlüpfte er nach vorn in die Ärmel und zog sich das Leinen über die Schultern.
Gianluca stellte sich hinter ihn und hielt den Stoff zu. »Könnte ein wenig warm werden mit Jackett …«
»Das darf ich ja wohl ausziehen, oder?«
»Das wollte ich dir damit sagen, Bananenköpfchen. Und hier die Pantoffeln anziehen. Da kannst du mit Schuhen rein. Ich soll dich von der Schlossleitung darum bitten, das Parkett nicht anzumalen.«
»Ich geb mir Mühe.« Tom spürte, dass er sich langsam an den Gedanken gewöhnte, an diesem außergewöhnlichen Ort weiterzumalen.
»Das Wichtigste ist nur: lächeln und nicken, wenn dich jemand anspricht. Je weniger dein Gegenüber lächelt, desto mehr Zähne zeigst du. Dann sind alle zufrieden.«
»Du machst mir echt Mut …«
»Nur Spaß. Sei einfach du selbst.« Gianluca senkte die Stimme. »Wenn du dich danebenbenimmst, hab ich heute Abend wenigstens einen Grund, dich zu bestrafen.«
»Quatschkopf!«
Hinter ihnen ertönte ein künstliches Räuspern. »Herr Chessa, dürfte ich Sie kurz stören?«
»Ich bin sofort da, Ricardo.«
»Entschuldigung«, sagte Tom. Es war ihm unangenehm, dass der Angestellte wahrscheinlich das Quatschkopf mitbekommen hatte.
»Und entschuldige dich nicht immer. Wenn du was brauchst, was zu trinken oder so, einfach jemandem Bescheid geben. Oder – ich regel das schon. So, ich geh dann mal nach dem Rechten schauen. Viel Spaß und bis später.«
Tom schaute Gianluca mit mulmigem Gefühl hinterher. Daraufhin sah er sich noch mal in den Räumlichkeiten um. Ein bisschen fühlte er sich, wie ein Tier in einem Käfig. Solange er in seiner Bude aus Leinenstoff blieb, würde alles in Ordnung sein.
Er legte den Kittel ab, um sein Jackett auszuziehen. Dann suchte er einen Platz, wo er das Kleidungsstück aufhängen konnte. Er entschied sich dafür, es über die rechte Trennwand zu hängen – natürlich unter dem Leinenschutz. Als Nächstes versetzte er die Lampenstative und schaltete das Licht ein. Schattenwurf würde es so oder so geben. Nicht gerade die optimalen Bedingungen. Aber unter diesen Umständen war ohnehin fraglich, ob er ein brauchbares Bild abliefern konnte. Vielleicht nach einigen Korrekturen in Gianlucas Atelier … Vorausgesetzt, der wollte nach diesem Wochenende überhaupt noch was mit ihm zu tun haben. Es waren zwar ein paar Andeutungen in diese Richtung gefallen, doch Tom wollte dem Wunsch besser nicht allzu viel Raum geben. Er schüttelte den Gedanken ab.
Die Leinwand vor ihm strahlte in herrlich schmutzigen Weißtönen. Sogar Wasser zum Malen hatte man ihm bereits hingestellt. Tom zog sich den Kittel wieder über. Diesmal achtete er darauf, den Anzug möglichst gut abzudecken. Eine weitere Herausforderung, die das Ergebnis ganz sicher beeinträchtigen würde: Er wollte sich nicht versauen. Dafür wäre es wohl gut, wenn …
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine Stimme hinter ihm.
Tom drehte sich um und sah einen der jungen Angestellten. »Ja, super. Einmal bitte zumachen, damit ich mich nicht einsaue.«
Der Bedienstete lächelte kurz. »Sehr gern.«
Tom ließ sich helfen. Die Situation kam ihm irgendwie grotesk vor. Da band ihm ein Typ, der wohl gerade erst mit der Ausbildung fertig war, vollkommen ernsthaft den Kittel zu und siezte ihn dabei. Tom dachte an die Weihnachtsgeschenke fürs männliche Personal.
»Bitte sehr. Kann ich Ihnen noch etwas zum Trinken bringen?«
»Ähm, ja, gern. Wasser bitte.«
»Sehr gern.« Der Fremde deutete einen Diener an. Tom kam sich vor wie bei Hofe.
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