Spritztour - Roman
erwartet, Ian. Das könnte dir sogar gefallen.«
»Aber du sagst doch immer, dass Mädchen nicht so aufs Äußere achten wie Jungen«, hatte er protestiert.
»Das heißt doch nicht, dass wir blind sind, Ian. Die Braut denkt, du bist irgend so eine sportliche, superbraungebrannte Dumpfbacke mit einer trendy Frisur. Und genau das wirst du sein.«
Ian parkte sein Auto vor dem Wohnwagen. Auf dem kleinen Pappschild an der Fliegentür stand: OFFEN.
Die Tür quietschte, als sie eintraten. Der Schönheitssalon war ein heller Raum mit einer niedrigen Decke und einem glänzenden, orangefarbenen Linoleumfußboden. Es roch nach Haarspray und Zigarettenkippen. Eine Frau, vermutlich Lorraine, lehnte am Rand eines Haarwaschbeckens. Sie war klein, drahtig und faltig, vielleicht Mitte fünfzig. Am Hals hatte sie ein dunkelrotes Geschwulst, etwa so groß wie ein Fruchtkaubonbon. Sie trank Budweiser-Bier aus einer Dose.
»Willkommen!«, sagte sie und trat auf sie zu. »Ihr müsst die Leute sein, die Elmo angekündigt hat. Setzt euch doch, setzt euch.«
Sie geleitete sie zu einer niedrigen, vinylbezogenen Bank gegenüber von drei unheimlich wirkenden Haartrocknern – solche, die man von oben über den Kopf stülpt und die einen Höllenlärm machen. Früher, wenn er als kleiner Junge mit seiner Mutter beim Friseur war, hatte Ian immer gedacht, man könnte durch diese Haartrockner direkt ins Hirn eindringen. Er hatte sich vorgestellt, dass die Person, die seiner Mutter die Haare machte, eine böse Wissenschaftlerin sei, und er, Ian Lafferty, sei der Einzige, der ihren heimtückischen Hirnexperimenten Einhalt gebieten könnte. Einmal hatte er in einem vollen Friseursalon bei einer ganzen Reihe von Haartrocknern die Stecker rausgezogen und damit – weil es offensichtlich ein kritischer Zeitpunkt war – die Verwandlung seiner Mutter in Courteney Cox aus Friends verhindert und sich ein fürchterliches Donnerwetter zugezogen. An dieses Ereignis erinnerte sich Ian, als er seine Blicke durch den Raum schweifen ließ.
Lorraine zündete eine Winston an und saugte beim Inhalieren ihre Wangen an, so dass sie aussah wie ein großer Fisch. Nach mehreren Sekunden atmete sie zischend eine graue Rauchwolke aus.
»So«, sagte sie. »Wer braucht eine neue Frisur?« Sie betrachtete alle drei Köpfe und blieb an Ians hängen. »Ich nehme an, du bist das. Nun, ich kann alles ein bisschen gefälliger machen, und bis sechs seid ihr hier wieder raus.«
»Oh, das wäre super«, sagte Ian. »Wir müssen wirklich …«
»Ma’am, ich fürchte, mein Freund braucht ein bisschen mehr als eine neue Frisur«, sagte Felicia. »Ian, zeig ihr das Bild.«
Zögerlich suchte Ian das Foto in seinem Lacai. Lorraine starrte es einen Moment lang an.
»Mich laust der Affe«, sagte sie flüsternd. »Ich bin bloß eine Fiseurin vom Land und keine Schönheitschirurgin.«
Gott sei Dank.
»Aber irgendwas können Sie doch bestimmt machen, Lorraine«, bat Felicia.
»Na ja …« Lorraine schwieg, schloss die Augen und verzog ihr Gesicht. »Ich habe gerade eine Probelieferung für ein Bräunungsmittel bekommen. Aber falsche Bärte habe ich nicht.« Sie blickte Ian an. »Ach, egal. Wir frischen ihn ein bisschen auf und gucken, was ’bei rauskommt. Hüpf auf den Stuhl, Schatz.«
Sie führte Ian zu einem Plüsch-Drehstuhl, legte ihm einen schwarzen Plastikumhang über die Schultern und zog eine lange, silberne Schere aus einer Schublade. Sie ließ die Schere ein paar Mal probeweise durch die Luft schnappen und ging langsam um Ian herum.
»Der erste Schnitt ist immer der schlimmste, wenn so ’n dicker Batzen Haare abgeht«, bemerkte sie. »Na denn.«
Lorraine beugte sich zu Ians Kopf hinunter und fing an zu schneiden. Lange Strähnen fielen zu Boden, begleitet vom fixen, geschickten Klappern der Schere.
Felicia hielt den Lacai hoch und betrachtete die Bilder, was Ian nervös verfolgte.
»Ich glaube, Ian hat hier versucht, eine kesse, kleine Kurzhaarfrisur zu kreieren. Wo die Haare vorne an der Stirn hochgekämmt und mit irgend so einem Ultra-Gel festgeklebt werden. Ich bin fast sicher. Stimmt das, Ian?«
Er zuckte die Achseln. »Kann sein. Vielleicht. Ich wollte bloß nicht so schlampig aussehen. Eben mehr wie so ein Football-Typ.«
»Na, solche Frisuren sind sowieso out«, sagte Felicia. »Und der Typ auf dem Bild ist ein Sklave der Modetrends. Also denke ich, sollten wir den Schnitt nehmen, den der gewöhnliche amerikanische Dummbeutel von Sportbolzen heutzutage
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