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Spritztour - Roman

Spritztour - Roman

Titel: Spritztour - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Behrens
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trägt. Vielleicht sollten wir es mit einem Falschokesen versuchen – ich meine einen Iro-Schnitt, aber nicht total rasiert an den Seiten. Kriegen Sie das hin, Lorraine?«
    »Na klar, es gibt kaum was, das ich nicht kann, wenn du mir einen Kopf mit ordentlichen Haaren und eine Tube Pomade gibst. Also, versuchen wir es.«
    Lorraine schnippelte und schnippelte. Die Haare fielen.
    Ian saß still. Ron wird sich freuen, egal wie dämlich ich aussehe. »Die Lebensmittelbranche ist kein Ort für langhaarige Männer, Ian.« Danke für den Hinweis, Ron.
    Lorraine tauschte die Schere gegen einen elektrischen Haarschneider aus.
    Die Maschine summte. Ian spürte, wie sie an seinen Haaren ziepte. Lorraine trank ihr Bier und zog gelegentlich an der Zigarette. Felicia sang das Lied der Scorpions mit, das aus einem Kassettenrecorder tönte. Lance blätterte in Zeitschriften und sang auch manchmal mit. Von Ians Kopf fielen immer kürzer werdende Haare auf den Boden. Er wurde nervös. Sein Kopf fühlte sich signifikant leichter an. Ohne den zottigen Vorhang, der einst sein Gesicht verborgen hatte, kam sich Ian entblößt vor. Felicia stand grinsend dicht neben ihm.
    Lorraine sagte, ohne jemanden direkt anzusprechen: »Das Strukturisieren mache ich mit dem Rasierapparat.«
    »Mmm-hmm«, sagte Ian.
    Sie sang, trank, rauchte und schnippelte. Dann legte sie all ihre Schneideinstrumente zur Seite, tippte die Fingerspitzen in ein Gefäß mit Pomade, rieb die Hände aneinander und massierte das stark riechende Zeug in Ians Haare, wobei sie die ganzen Haare zur Mitte des Kopfes schob. In Sekundenschnelle war sie fertig. Felicia schaute ihr über die Schulter, immer noch grinsend.
    »Nicht schlecht«, sagte sie. »Du siehst aus wie der coole, rätselhafte Neue. Bis alle in der Schule rauskriegen, dass du derselbe alte Trottel bist, bloß mit einer hippen neuen Frisur.«
    Er betrachtete sich von allen Seiten im Spiegel. Über die Mitte seines Schädels verlief ein breiter Streifen Haare, der sich nicht bewegte, aber auch nicht zu plaste- oder legomäßig aussah. Echt nicht schlecht , dachte er. Gar nicht übel. Für eine angetrunkene Kettenraucherin ist Lorraine ziemlich gut.
    »Glaubst du, das gefällt Danielle?«, fragte Ian Felicia. Die schien ein wenig den Kopf hängen zu lassen.
    »Es fällt mir schwer, mich in deine Internet-Nummer reinzuversetzen, Ian, aber ich denke, so siehst du eher aus wie der Typ, den sie erwartet.«
    »Du meinst den Typen, den sie gestern erwartet hat?«
    »Genau den.«
    Ian wollte aus dem Drehstuhl aufstehen. Felicia legte ihre Hand auf seine Schulter.
    »O nein, mein Freund. Du bist noch nicht fertig.«
    Felicia wandte sich Lorraine zu. »Meinen Sie, Sie könnten was mit seinen Augenbrauen machen?«
    »Was ist mit meinen Augenbrauen?«
    »Mmm«, machte Lorraine. »Ich verstehe, was du meinst.« Sie zündete sich eine neue Zigarette an. Felicia stand vor Ian und fuhr mit der Fingerspitze über seine Stirn.
    »Du hast da eine feine Haarlinie, die bis über deine Nase reicht. Im Moment siehst du aus wie die jüngere Version eines alten Sowjet-Diktators. Oder wie ein Muppet.«
    Und schon drückte Lorraine mit einem feinen Pinsel heißes Wachs unter Ians linke Augenbraue. Er verzog das Gesicht. »Ich schwöre, deine Wimpern gehören zu den hübschesten und längsten, die ich je gesehen habe«, sagte sie. »Ich kenn hier in der Gegend eine ganze Menge alte Damen, die dafür einen Mord begehen würden.«
    »Stimmt, er hat nette Wimpern«, sagte Felicia und beugte sich über Lorraines Schulter. »Sie haben vollkommen recht. Ian hat wirklich ein paar ziemlich liebenswerte Züge. Ohne die Mähne auf dem Kopf kommen die besser zur Geltung.« Sie lächelte.
    Ian zuckte zusammen, als Lorraine noch einmal mit dem Pinsel über seinem Auge entlangstrich.
    »Halt still, mein Schatz«, sagte sie.
    Die Spitze der Winston leuchtete hellrot auf und verblasste. Lorraine legte den Pinsel auf die Ablage, dann drückte sie einen dünnen Streifen Mull auf das heiße Wachs in Ians Gesicht. Sie wartete einen Augenblick, dann hob sie eine Ecke des Streifens ganz vorsichtig hoch. »Das kann jetzt ein bisschen wehtun«, warnte sie. »Eins … zwei …« Lorraine riss die Augen auf. »Drei!« Mit einem kräftigen Ruck zog sie den Streifen ab. In dem kurzen Moment zwischen dem grässlichen Reiß-Geräusch und dem Einsetzen eines brennenden Schmerzes hörte Ian, dass ihn jemand auf seinem Lacai anrief.
    Sobald sein Schrei in Folge des

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