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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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würden den Handel mit Cannabis ausweiten.
    Perfekt. Das würde Rado besänftigen. Das würde Nenad entgegenkommen. Aber am meisten Mrado selbst. Die Garderobenaktivitäten waren gerettet, was bedeutete, dass Mrados Position gesichert war.
    Er rief Ratko an. Sie redeten kurz miteinander.
    Er entschied sich ebenso, Nenad anzurufen, den Mann, der ihm unter den Kollegen am nächsten stand. Erzählte ihm, was er gerade erlebt hatte. Nenad: offenbar zufrieden.
    »Nenad, vielleicht sollten wir beiden irgendwann mal über eigene Geschäfte reden. Was meinst du?«
    Das war das erste Mal, dass Mrado etwas vorschlug, das an Verrat gegenüber Radovan grenzte. Wenn Nenad nicht der richtige Mann war, konnte Mrado seine Tage in der Terminologie eines Computers zählen – eins oder null.

34
    Die Strategie bestand darin, direkt zu importieren. Von der Quelle zu kaufen, aus Südamerika. In diesem Fall kein direkter Deal mit einem Syndikat. So groß waren sie noch nicht. Hingegen: Abdulkarimkontakte gemixt mit Jorges Hirn könnten den Jackpot knacken.
    Der springende Punkt war die Einfuhr. Die größtmögliche Menge mit möglichst geringem Risiko.
    Bisher hatten sie immer nur kleinere Portionen eingeschleust. Über Leute, die das Zeug geschluckt hatten, per Post, in Shampooflaschen, Zahnpastatuben, Süßigkeitenpackungen. Die Expansion erforderte allerdings größere Mengen.
    Jorges Hauptauftrag: die Produkte an Land zu ziehen. Sie aufzutreiben war kein Problem – die Krux lag darin, sie nach Hause zu bringen.
    Jorge hatte die letzten Wochen folgendermaßen verbracht: im Auto vor Radovans Haus, zu Hause bei Fahdi, wo er mit dem Import beschäftigt war, in den südlichen Vororten, um neue Kontakte zu etablieren.
    Er brauchte Kohle, um Radovan zu hassen.
    Brauchte den Hass gegen Radovan, um mehr Kohle aufzutreiben.
    Auf der Flucht zu bestehen. Hassen, planen, schlafen – das Leben war simpel.
    Alles mit Billigung von Abdulkarim. Ein Wunder, dass der Araber Jorges privates Hassprojekt akzeptierte. Wahrscheinlich überblickte er die Dimension nicht, wusste nicht, dass der Latino vorhatte, den Jugoboss komplett fertigzumachen. Jorge war dem Araber für seine Fürsorge, die Unterkunft, das Aufpäppeln nach Mrados Misshandlung indirekt Treue schuldig. Abdulkarim hatte viel in Jorge-Boy investiert. Eigentlich war es nicht in Geld aufzurechnen. Abdulkarim hatte nie etwas gesagt. Aber Jorge wusste: Er erwartete seinen Anteil.
     
    Heute würde sein erster eigener umfangreicher Import eintreffen, den er monatelang geplant hatte. Über den weiblichen brasilianischen Kurier. Heftig.
    Die Regel lautete, keine Person zu engagieren, die Aufmerksamkeit auf sich zog. Jorge wusste mehr über sie, als nötig war – Silvia Pasqual De Pizzaro. Sie war neunundzwanzig Jahre alt. Aus Campo Grande in der Nähe von Paraguay, wo die Arbeitslosigkeit katastrophal hoch ist. Hatte nur die Grundschule besucht. Bekam ihr erstes Kind, eine Tochter, mit achtzehn. Seitdem wohnte sie mit ihrer Tochter und ihrer Mutter zusammen. Das zweite Kind kam mit zwanzig, das dritte mit zweiundzwanzig. Sämtliche Väter der Kinder waren abgehauen. Silvias Mutter arbeitete als Näherin, war aber lungenkrank.
    Er konnte es sich selbst ausrechnen: Die kleine Familie lebte am Rande des Ruins. Silvia Pasqual würde für ein paar Kröten alles tun. Verzweifelt? Nein. So ist das Leben nun mal. Man darf das Risiko nicht scheuen, um weiterzukommen. Jorge wusste es nur zu gut.
    Die Methode stammte von Jorge persönlich. Es wurden zwei Trollies der Marke Samsonite Large, Magnesium Lite gekauft. Das Smarte daran: Der ausziehbare Griff war aus Aluminium – hohl. Mit einem Viermillimeterbohrer direkt unterhalb des Gummihandgriffs aufgebohrt. In jedem Handgriff der beiden Koffer fanden sechzehnhundert Gramm Koks Platz. Gesamtpreis auf der Straße: mindestens drei Mille. Schnelles Cash.
    Die oberste Schicht bestand aus zerbröselten Mottenkugeln. Falls sie Pech hatte und an einen Rauschgifthund geraten sollte – der beißende Geruch würde den Schnüffler ablenken. Das Bohrloch wurde wieder zugelötet. Der Gummigriff wieder drübergezogen. Sie konnten das Innere der Koffer so sorgfältig durchsuchen, wie sie wollten. Sie konnten auch Silvia so lange durchsuchen, wie sie wollten, sie abtasten, röntgen, drei Tage lang auf einer Toilette hocken lassen. Sie würden nichts finden.
Nada.
    Aber das reichte nicht aus. Er stachelte sich selbst an: Mach es richtig. Jorge hatte schon von diversen

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