Spür die Angst
können, im Zaum zu halten. In den meisten Fällen holte er sich Hilfe von Ratko oder den anderen Jungs aus dem Studio.
Nebenbei betrieb Mrado sein eigenes Gewerbe. Importfirma. Kaufte Holzbestände aus Thailand auf. Teak. Ebenholz. Balsaholz. Verkaufte es an Kunsttischler, Innenarchitekten und Bauherren. Das Geschäft lief gut. Vor allem aber brachte es ihm saubere Einkünfte.
Mrados Kopfschmerzen: Patriks Verurteilung. Höchstwahrscheinlich würde der Ex-Skinhead niemanden verpfeifen, aber das Risiko bestand immerhin. Verdammtes Pech, dass der Nazi sich so aufgeregt hatte. Noch schlimmer – dass Mrado so dämlich gewesen war, seine Forderung nach einem höheren Anteil gegenüber Rado zu stellen, als der Boss sowieso schon sauer war. Bahnte sich eine Vertrauenskrise zwischen ihm und Radovan an? Außerdem: Mrado musste Jorge, diesen Kokser, finden. Des Weiteren: Mrado hatte von Rado die Order erhalten, seine Fühler bezüglich des sogenannten Novaprojekts auszustrecken, bei dem die Bullen in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft einen Riesenaufwand betrieben, um die organisierte Kriminalität in der Stadt zu bekämpfen. Und schließlich: Mrado musste sobald wie möglich Lovisa sehen, ansonsten würde er explodieren. Annika, diese Fotze, hatte im Amtsgericht einen Streit mit ihm vom Zaun gebrochen. Er bereitete sich innerlich auf einen Krieg um seine Tochter vor. Es schien, als seien alle gegen ihn. Er hatte, verdammt nochmal, das Recht auf eine gute Beziehung zu seinem Kind.
Er litt unter Schlafstörungen. Es waren nicht die Anforderungen oder die Vielzahl der Projekte, um die er sich kümmern musste, die ihn mitten in der Nacht aufschrecken ließen – es waren die Gedanken an Lovisa und ein anderes Leben. Die Angst davor, sie nicht mehr sehen zu dürfen. Die Gedanken daran, welche Art von Job er machen sollte, wenn er seine jetzige Tätigkeit aufgab. Vielleicht gab es ja andere Branchen, in denen er seinen Lebensunterhalt verdienen konnte und die ihm zusagten. Vielleicht auch nicht, denn Mrado war ziemlich eigen. Und außerdem brauchte diese Stadt Männer wie ihn. Das geringste aller Probleme, die er im Augenblick hatte, bestand darin, einen Strohmann für die Videotheken zu finden. Also machte er sich auf die Suche.
Erkundigte sich bei den Leuten im Studio. Niemand, der zufällig einen Job suchte. Nicht, weil die Betreffenden ein Vermögen zu verlieren hätten, zumindest keines, von dem der Große Bruder wusste, sondern weil sie einen Konkurs befürchteten. Die Jungs träumten vom Big Business. Letzten Endes mussten alle ab einem gewissen Niveau ganz legal Abgaben zahlen. Schlussfolgerung: Schaff dir keine zweifelhaften Meriten, die unnötigerweise in irgendwelchen Unterlagen auftauchen.
Mrado wollte es nicht vermasseln. Nichtsdestotrotz – sobald Schwierigkeiten auftraten, würde ein anderer die Prügel einstecken müssen.
Er konnte jemanden seinesgleichen anrufen: Goran, Nenad oder Stefanovic. Alle waren sie Untergebene des Jugokönigs, in der Hierarchie auf derselben Stufe mit Mrado. Typen mit Durchblick. Und gleichzeitig Konkurrenten im Rennen um die Gunst Radovans.
Er rief Goran an.
Der Typ war Radovans Kippen- und Spirituosenimporteur. Ein Speichellecker. Arschkriecher. Wenn Rado Goran maßregeln würde, würde der sich auf den Rücken legen und mit dem Schwanz wedeln. Wie ein Hund. Und dennoch – der Typ hatte einen Scheißerfolg mit seinem Gewerbe. Hohe Einnahmen, setzte siebzehn Millionen im Jahr um.
Der Kippen- und Spirituosenimport: komplizierte Logistik, administrative Mathematik, ausgefeilte Transport- und Frachtmethodik. Ein globaler Konzern mit Sitz im kriminellen Stockholm. Sowohl Billigsprit als auch teure Sorten. Aus Russland, dem Baltikum, Polen und Deutschland über Finnland importiert. Umverpackt, das Ursprungsland anonymisiert, den Herstellernachweis entfernt. Goran beherrschte die Branche. Hatte umfangreiche Kontakte zu Svenska Transportarbetarförbundet. Überblick über die Fahrer. Kannte ihre Vorarbeiter. Schmierte die richtigen Personen. Schmuggelte auf ausgewählten Europastraßen. Fälschte Frachtbriefe, organisierte glaubwürdige Ladeverläufe, trickste mit Empfängern und Absendern. Hielt sich an die toughen Typen. Diejenigen, die schnellen Schotter verdienen wollten. Die die Latte niedrig hielten. Männer, die Vollzeit arbeiteten, ohne eine einzige Krone zu versteuern.
Mrado hatte es genau auf sie abgesehen. Eine andere Sorte Mensch als die Jungs aus dem Studio.
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