Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
ihr Sohn diese Frau sehr mochte. »Ich würde sie irgendwann gern kennenlernen, Mark. Erzähl mir von ihr.«
»Sie ist um die dreißig. Groß, schlank, hat wunderschöne rote Haare, die ihr bis zu den Schultern reichen.« Er erzählte seiner Mutter nicht, dass er nach dem Telefonat mit ihr einfach drauflosschluchzen musste und sein Gesicht in den Armen auf dem Tisch verborgen hatte. Jessie hatte sich nur über ihn gebeugt, ihn in den Arm genommen und gesagt: »Lass es raus, Mark. Das Weinen tut gut.«
Als Jessie danach erfuhr, dass er noch nichts gegessen hatte, machte sie für sie beide Rühreier. Gestern hatte sie dann angerufen und sich nach ihm erkundigt, und als sie hörte, dass seine Mutter relativ spät am Abend eintreffen würde, hatte sie gefragt, ob er was dagegen habe, wenn sie etwas Leichtes vorbereite. »Sie will bestimmt nichts Schweres mehr essen«, hatte sie gesagt, »wenn du also deinen Schlüssel in Hannahs Briefkasten wirfst, besorge ich was. Es gibt gleich in der Nähe einen Gourmet-Delikatessenladen, den kennst du wahrscheinlich noch nicht. Dort kann ich etwas holen. Hannah und ich sind sowieso gleich nebenan zum Essen verabredet, es macht also keine Umstände.«
Martha Sloane schob ihren Stuhl zurück. »Also, Mark, bevor du wieder vorschlägst, dass ich hier warte, während du alles für Traceys Überführung regelst, werde ich duschen und mich ankleiden. Und dann werden wir gemeinsam dorthin fahren.«
Mark wusste, wann jede Widerrede zwecklos war. Er räumte den Tisch ab, gab das wenige Geschirr in den Geschirrspüler und ging ins Wohnzimmer, um auf seine Mutter zu warten. Plötzlich spürte er, dass etwas anders war im Raum. Er sah sich um und bemerkte erst jetzt, dass die Bilder, die er am Boden aufgestellt hatte, weil er sie am Wochenende aufhängen wollte, bereits exakt an dem für sie markierten Platz hingen.
Offensichtlich hatte sich Jessie auch darum gekümmert. Ich werde sie für heute Abend zum Essen einladen, dachte Mark. Mom will sie kennenlernen und ihr danken. Und das gilt auch für mich. Ich rufe sie gleich an.
Als er in sein Schlafzimmer ging, um sie anzurufen und gleich auch noch Krawatte und Jackett zu holen, lag eine Beschwingtheit in seinem Gang, die er nicht mehr gekannt hatte, seitdem Tracey von zu Hause fortgegangen war – seitdem sie ihm im Garten den Ball zugeworfen oder mit ihm ins Kino gegangen war und ihm Schokolade oder Popcorn – oder beides – gekauft hatte.
88
A ls Nick Greco am Donnerstagnachmittag mit seinen Recherchen zur Familie Connelly begann, war ihm nicht klar, wie viel er über Dennis Francis Connelly finden würde, den brillanten, mächtigen und exzentrischen Großvater von Kate und Hannah Connelly.
Aberdutzende Artikel waren über ihn verfasst worden. Viele davon begannen mit seiner bescheidenen Herkunft aus Dublin, wo er als Straßenkind aufgewachsen und mehrmals wegen Diebstahls verhaftet worden war. Nachdem er schließlich lang genug die Schule besucht hatte, um mit sechzehn die achte Klasse abzuschließen, beendete er nach nur zwei Jahren die Highschool, erwarb ein Stipendium für das Trinity College und absolvierte in weniger als drei Jahren summa cum laude sein Studium.
Die Bilder von ihm als Teenager und Zwanzigjährigem zeig ten einen dünnen, großen, ernst wirkenden jungen Mann mit Augen, die mit wütendem Groll in die Welt blickten.
Wenn er Groll hegte, dann hatte er allen Grund dazu, dachte Greco, als er las, dass Connellys Vater und Onkel, Zwillingsbrüder, schon mit sechsundzwanzig gestorben waren. In der Fabrik, in der sie sieben Tage in der Woche schufteten, war ein Feuer ausgebrochen, sie wurden darin eingeschlossen und kamen elend zu Tode.
Dennis’ vierundzwanzigjährige Mutter war zu diesem Zeitpunkt im sechsten Monat schwanger. Drei Monate später gebar sie Zwillinge, die schon zu diesem Zeitpunkt so schwach und unterernährt waren, dass sie nach nur wenigen Tagen starben. Bereits mit sieben Jahren war Dennis gezwungen, seine verarmte, untröstliche Mutter mit Betteln und Gelegenheitsarbeiten zu unterstützen. Und manchmal auch mit Stehlen.
Als er zehn war, wurde seine Mutter von einer freundlichen alten Frau, die nicht allein leben wollte, als Haushälterin angestellt. Sie gab Mutter und Sohn ein Zuhause und erkannte schnell, was für ein heller Kopf er war. Sie konnte Dennis dazu überreden, wieder zur Schule zu gehen.
Er war ein zorniger, stolzer Mann, dachte Greco, während er die restlichen Artikel über das
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