Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
ihre Akte geschlossen.«
Greco nickte. »Da mögen Sie recht haben, aber es ist nie zu spät. Ich werde bei der Polizei anrufen und veranlassen, dass so etwas durchgeführt wird. Man wird dann Ihre Mutter kontaktieren. Sagen Sie ihr, dass das keine große Sache ist. Ein kleiner Abstrich von der Mundschleimhaut mit einem Wattestäbchen, mehr ist nicht nötig.«
»Es hat in dem Fall also nie auch nur irgendeinen Verdächtigen gegeben?«
»Nein, nie. Ich bin zwar schon im Ruhestand, die Jungs auf der Dienststelle hätten mich aber darüber in Kenntnis gesetzt. Die einzige Frage, die wir hatten – die wir immer noch haben –, betrifft dieses Bild, das Tracey auf ihrer Kommode stehen hatte.«
Er zeigte es Mark. Tracey war darauf zu sehen, wunderschön, mit langen Haaren, munterem Lächeln, wie sie mit zwei Frauen und zwei Männern an einem Tisch saß.
»Das wurde an einem der Abende aufgenommen, an denen sich Tracey mit ihren Freunden im Bobbie’s Joint getroffen hat«, sagte Nick. »Wir haben alle vier überprüft und nichts finden können. Keiner scheint mit ihrem Verschwinden irgendetwas zu tun zu haben. Aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass uns dieses Bild etwas sagen will, nur kommen wir nicht drauf.«
37
I n einem war Clyde Hotchkiss äußerst gewissenhaft. Er versuchte sich beim Betteln immer so viel Geld aufzusparen, dass er sich noch mindestens eine U-Bahn-Fahrkarte leisten konnte. Wohin, das war ihm dann oft egal. Er stieg spätnachts zu und fuhr zu seinem Möbellaster oder einer anderen Haltestelle. Manchmal schlief er im Waggon ein und ratterte durch bis zur Endstation und zurück nach Manhattan.
Nach der Auseinandersetzung mit Sammy, nachdem er am Sonntagmorgen die Parkgaragenzufahrt verlassen musste, war er mit seinem Wagen zur Essensausgabe von St. Francis in der Thirty-first Street gezogen. Und da er fürchtete, dass Sammy seinen obdachlosen Freunden von der Auseinandersetzung erzählte und sie sich gegen ihn verbündeten, tat Clyde etwas, was er sonst hasste: Er wollte Sonntagnacht in einer Obdachlosenunterkunft verbringen. Als er dort jedoch ankam, meinte er unter den vielen anderen Menschen verrückt werden zu müssen. Ihm war, als würde wieder Joey Kellys Leichnam gegen ihn gepresst. Trotzdem blieb er. Er hustete viel, auch die Schmerzen seiner alten Hüftverletzung meldeten sich zurück. Und ihn beunruhigte, dass er im Möbellaster das Foto von sich und Peggy und Skippy zurückgelassen hatte. Im ersten Moment war es ihm egal gewesen, jetzt aber sehnte er sich nach dem Bild und dem Trost, den er daraus zog. Er sehnte sich nach dem Gefühl, geliebt zu werden. Er hatte Peggy oder Skippy all die Jahre nicht mehr gesehen, plötzlich aber standen ihm ihre Gesichter wieder klar und deutlich vor Augen.
Und auf Peggys und Skippys Gesichter folgten plötzlich die von Joey und von jenem Mädchen, das er geschlagen hatte, sie drehten sich alle immerfort im Kreis, immer rundherum wie auf einem Karussell.
Am Montag begann es wieder zu regnen. Clydes Husten wurde schlimmer, zitternd kauerte er sich an ein Gebäude auf dem Broadway. Fast keiner in der vorbeihastenden Menge blieb stehen, um ihm Münzen oder einen Dollarschein in die zerschlissene Mütze vor seinen Füßen zu werfen. Etwas hatte sich geändert, er wusste es. Mit seinem Glück war es vorbei. Er hatte sich so sehr an den nächtlichen Schutz des Möbelwagens gewohnt, dass er es ohne ihn auf der Straße nicht mehr aushielt.
Durchnässt und durchfroren schleppte er sich am Abend mit seinem Wagen zu einer anderen Unterkunft. Kaum war er dort angekommen, brach er bewusstlos zusammen.
38
M ommy tanzt in ihren roten Satinschuhen. Kate sah es ganz deutlich vor sich. Wieder kehrten die Bilder zurück, während sie im künstlichen Koma lag, was, so die Hoffnung der Ärzte, ihr das Leben retten sollte. Mommy trug ein rotes Kleid und rote Schuhe. Dann kam Daddy ins Zimmer und sagte, wie schön Mommy sei, und er hob mich hoch und tanzte mit Mommy und mir hinaus auf den Balkon, obwohl es zu schneien begann. Und er sang mir etwas vor. Dann tanzte er mit Mommy und mir durch das Schlafzimmer. Und am nächsten Tag fuhren Daddy und Mommy mit dem Boot zum Angeln.
Kate erinnerte sich, dass sie nach Mommys Tod die roten Satinschuhe genommen und immer wieder an sich gedrückt hatte, bis sie spüren konnte, wie Mommy und Daddy sie im Arm hielten. Dann hatte Daddy sie ihr weggenommen. Daddy war jetzt anders. Er weinte und sagte, es würde ihn traurig
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