Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
Dienstag immer wieder daran denken, dass sich Kate Connellys Zustand verschlechtert hatte und sie unter hohem Fieber litt. Irgendwann wurde ihm bewusst, dass die Sorge für die Schwester seiner Nachbarin, die er noch gar nicht richtig kannte, viel mit seinem Besuch bei Nick Greco und ihrer Unterhaltung über Traceys Verschwinden zu tun hatte. Ihm war, als wären die alten Wunden, die im Lauf der Jahre verheilt waren, mit einem Mal wieder aufgebrochen.
Das Leben von Hannah Connelly und ihrer engsten Freundin Jessie Carlson wurde im Moment von ständigem Warten, Hoffen und Bangen bestimmt. Ihre gemeinsame Anteilnahme an dem Schicksal von Hannahs Schwester Kate erinnerte ihn dabei an die Reaktion seiner Mutter, als sie den Anruf wegen Tracey erhalten hatte.
Er war damals erst zehn Jahre alt gewesen, trotzdem hatte sich der Augenblick für immer in sein Gedächtnis gebrannt. Wegen einer schweren Erkältung war er nicht in der Schule und hatte mit seiner Mutter am Küchentisch gesessen. Sie hatte ihm gerade ein Schinken-Sandwich und einen Tee gemacht, als das Telefon klingelte.
»Vermisst! « Dieses Wort hatte er seine Mutter mit zitternder Stimme ausrufen hören, und er hatte sofort gewusst, dass es um Tracey ging.
Und dann hatte das Warten begonnen. Das Warten, das immer noch anhielt.
Am Dienstagabend ging Mark ins Fitnessstudio. Er unterschrieb den Vertrag und unterzog sich gleich einem intensiven eineinhalbstündigen Trainingsprogramm, das die Spannungen im Rücken und Nacken lockerte. Nachdem er geduscht und sich umgezogen hatte, stopfte er die Sachen in eine Sporttasche und brachte alles nach Hause. Und da er keine Lust hatte, das Steak, das in seinem Kühlschrank lag, zu braten, suchte er auf seinem iPhone nach Tommy’s Bistro. Es war immer noch als Pub aufgeführt und lag nur vier Straßen von seiner Wohnung entfernt.
Wahrscheinlich ist einfach der Name des Lokals beibehalten worden, dachte er sich, als er in seine Windjacke schlüpfte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass nach dreißig Jahren immer noch derselbe Wirt das Lokal führt.
Er hatte noch nicht sein Apartmentgebäude verlassen, als sein Handy klingelte. Es war Nick Greco. »Raten Sie mal, wohin ich unterwegs bin«, sagte Mark. »Zu Tommy’s Bistro, dem Lokal, in dem Tracey gearbeitet hat. Ich werde etwas essen, und vielleicht hat es noch denselben Besitzer, und ich kann mit ihm reden. Er hat sich damals Sorgen um Tracey gemacht, als sie nicht zur Arbeit aufgetaucht ist.«
»Dann habe ich Sie ja gerade noch rechtzeitig erwischt«, erwiderte Greco. »Ich bin gerade von einem Kumpel aus meiner alten Dienststelle angerufen worden. In ein paar Minuten wird offiziell bekannt gegeben, dass im Mordfall einer dreiundzwanzigjährigen Schauspielerin, die letzten Monat verschwunden und anschließend tot aufgefunden worden war, eine Verhaftung vorgenommen wurde. Sie ist erwürgt worden.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Mark. »Nick, was erzählen Sie mir da?«
»Der mutmaßliche Mörder heißt Harry Simon. Er ist dreiundfünfzig, und ob Sie es glauben oder nicht, er arbeitet in der Küche von Tommy’s Bistro. Und das seit dreißig Jahren! Nach Traceys Verschwinden ist er zusammen mit den anderen Angestellten befragt worden, aber er schien damals ein wasserdichtes Alibi zu haben. Jetzt werden wir ja sehen, ob dieses sogenannte Alibi auch heute noch hält.«
53
S hirley Mercer hatte Clyde in das von der Stadt geführte Ansler Hotel begleitet. Es besaß goldverzierte Stuckdecken mit exquisiten Kronleuchtern und hatte früher einen der großen Speisesäle New Yorks beherbergt. Das war nun neunzig Jahre her. In den Fünfzigerjahren hatte die feine Gesellschaft den Gefallen daran verloren, und der Speisesaal war geschlossen worden. Viele Jahre lang war das Gebäude, das in der Nähe von Macy’s in der Thirty-third Street lag, mit Brettern vernagelt, bevor es einige Jahre zuvor als städtische Unterkunft für Obdachlose neu eröffnet wurde.
Shirley war froh, dass Clyde ein Einzelzimmer mit einem schmalen Bett, kleiner Kommode und einem Stuhl zugewiesen wurde. Das Badezimmer lag draußen im Flur, auf dem überall Essensreste verstreut lagen. Die Reinigungskräfte taten ihr Bestes, hatten es aber mit Leuten zu tun, denen seit Jahren jegliches Sauberkeitsverständnis abhandengekommen war. Aus dem angrenzenden Zimmer drang ohrenbetäubend laute Musik.
Sie beobachtete Clydes Miene, als er seinen Wagen in das Zimmer schob. Er machte einen apathischen Eindruck.
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