Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
hatte ihr die Krankensalbung verabreicht. Hieß das, dass Kate so weit bei Bewusstsein gewesen war, dass sie mit ihm hatte reden können?
Und falls ja, was hatte sie ihm in diesem Fall gesagt?
56
A m Dienstagabend holte Vater Dan Martin seinen früheren Pfarrer ab, den siebenundachtzigjährigen Vater Michael Ferris, der mittlerweile im Jesuiten-Heim in Riverdale, im oberen westlichen Abschnitt der Bronx, lebte. Er hatte Vater Ferris die Wahl des Lokals überlassen, wohl wissend, dass sich dieser fürs Neary’s entscheiden würde, das berühmte irische Pub in der East Fifty-seventh Street in Manhattan.
Das Pub hatte vor fünfundvierzig Jahren am 17. März, dem St. Patrick’s Day, eröffnet und war Vater Mikes Lieblingslokal gewesen, als er Pfarrer in St. Ignatius Loyola gewesen war. Auch jetzt ging er immer noch gern dorthin.
Vater Dan hatte für zwanzig Uhr reservieren lassen. Zehn nach acht saßen sie an ihrem Tisch und genossen ihren Cocktail.
Vater Mike kam als Erstes auf die Connellys und die aktuellen Ereignisse zu sprechen. »Ich habe sie damals gut gekannt«, sagte er. »Den alten Dennis und seine Frau Bridget. Sie waren Gemeindemitglieder. Und dann sind Douglas und Susan in St. Ignatius getraut worden und in eine Wohnung gleich an der Fifth Avenue gezogen. Da wohnt Doug immer noch.«
Das war genau das Thema, über das Vater Dan Martin reden wollte, aber er hatte sich bislang bewusst zurückgehalten. »Du erinnerst dich vielleicht, ich habe damals, als der Unfall passierte, in St. Ignatius ausgeholfen. Ich habe am Sterbegottesdienst teilgenommen und am nächsten Tag Douglas angerufen. Ich war gerade ordiniert und wollte ihm helfen, soweit das möglich war.«
»Keiner hat ihm damals wirklich helfen können. Er war verrückt nach Susan. Ich habe kein Paar erlebt, das mehr verliebt gewesen wäre als die beiden. Und ich weiß, dass er sich mit Schuldgefühlen quälte, nicht nur, weil er seine Frau, sondern weil er auch seinen Bruder und vier gute Freunde verloren hatte. Er hatte am Ruder gestanden. Die Untersuchungen ergaben, dass es nicht seine Schuld war. Keine Unvorsichtigkeit, und sicherlich war kein Alkohol im Spiel. Wenn sie nachts zum Thunfisch-Angeln rausfuhren, hatten sie nie Alkohol an Bord.«
Liz, eine Bedienung, die seit dem ersten Tag im Neary’s arbeitete, war an ihren Tisch getreten. »Lassen Sie mich raten«, sagte sie. »Vater Mike, Sie nehmen die Vorspeise mit irischem Lachs und dann Corned Beef und Kohl.«
»Exakt, Liz«, bestätigte Vater Mike.
»Vater Dan, Sie nehmen den Shrimp-Cocktail und Lachs als Hauptgericht.«
»Ich wusste nicht, dass ich so vorhersehbar bin. Aber Sie haben recht.« Vater Martin lächelte und nahm das Gespräch wieder auf. »Mike, jeder von uns hat einiges an Leid zu sehen bekommen, aber den Anblick von Douglas Connelly bei der Beerdigung seiner Frau und seines Bruders, als er die dreijährige Kate an der Hand gehalten hat … diesen Anblick werde ich nie vergessen. Als ich ihn danach aufgesucht habe, war es, als würde ich mit einem Schlafwandler reden.«
»Stimmt. Er litt unter Schuldgefühlen, aber das ist immer so, wenn man ein Unglück überlebt, bei dem geliebte Men schen ums Leben kommen. Sie hatten Radar an Bord, aber das war vor fast dreißig Jahren. Man möchte meinen, man hätte den Atlantik für sich allein, wenn man um elf Uhr nachts von Brooklyn ablegt, aber es herrschte viel Verkehr. Wie du weißt, wollten sie bei Tagesanbruch bei den Thunfisch-Futterplätzen sein, eine Strecke von siebzig Seemeilen.«
Vater Mike bestrich ein Brötchen mit Butter, biss ab und schüttelte den Kopf, bevor er weitersprach. »Doug hatte den Schlepper gesehen und viel Abstand zwischen sich und dem Schlepper gehalten. Was er aber nicht sah und was auch nicht auf dem Radar auftauchte, das waren die Lastkähne, die er im Schlepp hatte. Die Nacht war so dunkel und die Kette so lang, dass sie sich regelrecht durch das Boot fräste, das Doug in vermeintlich sicherem Abstand hinter dem Schlepper vorbeisteuerte. Am Ruder waren eine Rettungsweste und ein Rettungsboot untergebracht. Es gelang ihm, das Schlauchboot über Bord zu werfen und die Rettungsweste anzulegen. Die anderen waren unten in der Kabine und hatten nicht die geringste Chance, weil das Boot viel zu schnell sank.«
»Und keiner auf dem Schlepper hat mitbekommen, was passiert ist«, erinnerte sich Dan Martin.
»Nein. Schlepper haben in den meisten Fällen nur eine sehr kleine Crew an Bord, und wer weiß
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